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Zurück in die Zukunft – Der Trend zum nostalgischen Urlaub

Das steckt hinter der Geschichte des Reisens

10. Februar 2021


Reisen war früher nicht nur eine elitäre Angelegenheit, sondern auch  sehr familiär: Man besuchte Freunde und Verwandte, bevor um 1900  dann die ersten Grandhotels ihre Pforten öffneten. Warum nostalgischer Urlaub wie damals gerade wieder angesagt ist.

„Dieser Wagen stößt einem doch die Seele heraus! – und die Sitze! – hart wie Stein! – von Wasserburg aus glaubte ich in der that meinen Hintern nicht ganz nach München bringen zu können!“, beschwerte sich Wolfgang Amadeus Mozart über die damals übliche Postkutsche als Fortbewegungsmittel. Öffentliche Verkehrsmittel gab es im 18. Jahrhundert bereits, das Reisen aber war beschwerlich. Wer nicht unterwegs sein musste, blieb lieber daheim.

Reisen mit der Pferdekutsche waren beschwerlich, aber im 18. Jahrhundert das modernste Fortbewegungsmittel.

Dass man sich von seinem Job erholen soll, ist ohnehin eine relativ junge Erkenntnis. Im Mittelalter bedeutete „urloup“ einfach „Freistellung vom Dienst“, den man nahm, wenn man zu einem Begräbnis musste oder andere Familienangelegenheiten anstanden. Niemand unternahm eine Reise, außer man hatte geschäftliche oder religiöse Ziele. Eine Pilgerfahrt, eine Handelsangelegenheit, Adelige, die ihre Güter kontrollierten: Reisen war an bestimmte Zwecke gebunden. Erst Ende des  17. Jahrhunderts hatten englische Adelige eine ebenso elitäre wie überzeugende Idee: Sie schickten ihre Söhne auf die sogenannte Grand Tour. Der männliche Nachwuchs sollte durch Europa reisen, seine Sprachkenntnisse vertiefen, die Kunst und Kultur kennenlernen und nebenher erledigen, was man heute als Networking bezeichnen würde: Man übernachtete bei Verwandten und Bekannten, lernte die unterschiedlichen Adelshöfe kennen, und vielleicht ergaben sich dadurch ja Verbindungen, auf die man später zurückgreifen konnte. Neugierde auf die Welt war plötzlich eine Tugend geworden, die Reiselust der oberen Stände schwappte auch auf Europa über, man sprach von der Kavaliersreise. Besonders Italien stand als Reiseziel hoch im Kurs.

Klassische Bildungsreise

„Neapel sehen und sterben“, ein berühmtes Zitat aus Goethes Briefen aus Italien, beweist, dass man schon im 18. Jahrhundert wusste, wie man pointiert angibt. Ein Satz, wie gemacht für die sozialen Medien. Zwischen 1786 und 1788 absolvierte Goethe seine klassische Bildungsreise, auf der er ausführlich Reisetagebücher führte. Goethe ließ sich – wie viele Adelige auf ihrer Grand Tour auch – in der italienischen Landschaft oder vor markanten Gebäuden porträtieren. Man hängte diese gemalten Beweise, dass man tatsächlich dort gewesen war, dann stolz daheim an die Wände. Diese frühen Selfies zeigen meist junge, selbstbewusste Männer, die sich gekonnt in Szene setzen. Die Grand Tour gab ihnen Selbstvertrauen, man war bis zu drei Jahre unterwegs, Alkoholgenuss und das eine oder andere erotische Abenteuer gehörten wohl auch dazu, wie der britische Reisejournalist Tony Perrottet in seinem Buch „The Sinner’s Grand Tour: A Journey through the Historical Underbelly in Europa“ anschaulich beschreibt. Die Grand Tour war ein Abenteuer, individuelle Freiheit und adeliger Familiensinn hielten sich die Waage.

Frühe Selfies: Goethe machte auf seiner Italienreise Notizen. Viele Reisende ließen sich aber auch malen. Als Beweis, dass man dort war.

In Zeiten von Massentourismus haben viele wieder Sehnsucht nach einem Reisen, bei dem man sich um keinen Parkplatz streiten, an keinem Flugschalter und in keiner Hotellobby warten muss. Schon vor der Corona-Pandemie zeichnete sich der Trend zum Social Distancing ab: Wahrer Luxus ist es, seine Ruhe zu haben. Niemanden sehen zu müssen, von keinem gesehen zu werden. Was für Hollywoodstars zum Alltag gehört, ist mittlerweile breitenwirksamer begehrt: eine Insel für sich oder zumindest eine Strandvilla oder ein Chalet, das sich anfühlt, als wäre man alleine hier.

Grandhotels atmen Geschichte. Nicht nur deshalb liegen sie wieder im Trend. Man macht Urlaub und fühlt sich doch aufgehoben wie daheim.

So ist es erneut en vogue geworden, Verwandte und Freunde in ihren Landhäusern zu besuchen, sich aus der Welt zurückzuziehen. Einen sicheren, geschützten Ort für sich zu haben. Die Reisebranche hat darauf reagiert – mit Hotels, die man als Ganzes für sich und seine Familie mieten kann. Butler-Service und separate Eingänge, um mit keinem Unbekannten im Lift stehen zu müssen. Reisen ist wieder privater geworden, man möchte Zeit mit seinem Clan verbringen, anstatt mit Fremden am Pool abzuhängen. Selbst in weniger exklusiven Resorts hat sich durch das Corona-Virus einiges verändert: Man mietet den Sauna- und Wellnessbereich stundenweise, anstatt ihn mit anderen teilen zu müssen. Eine neue Exklusivität, und es wird schwerfallen, darauf wieder zu verzichten.

Butler sind hochspezialisierte Wesen, die einem die Wünsche von den Augen ablesen, noch bevor man sie selber weiß.

Fahrende Räume

Nostalgie ist angesagt. Man besinnt sich auf die Grandhotels, eine bürgerliche Erfindung, die das Schloss der Adeligen nachahmen wollte.Distinktion war ein wesentliches Merkmal, Umgangsformen wurden gepflegt, vornehme Zurückhaltung war verpflichtend. Das Londoner „The Savoy“, mit atemberaubendem Blick auf die Themse, eröffnete 1889, es war das erste Luxushotel auf britischem Boden. Zum ersten Mal gab es elektrische Aufzüge, sogenannte fahrende Räume. In den Zimmern waren Sprechrohre angebracht, damit die Gäste dem Personal ihre Wünsche übermitteln konnten. Auch die privaten Badezimmer waren damals ein Novum.

Die Royal Suite im „The Savoy“ in London verfügt über eine eigene Bar. Eine schicke Privatparty ist garantiert.

Grandhotels wie diese atmen Geschichte. Marlene Dietrich stieg im „The Savoy“ ab. Sie wollte, dass zwölf rote Rosen und eine Flasche Dom Pérignon auf ihrem Zimmer bereitstehen. Die Grandhotels prägten aber auch die gehobene Küche maßgeblich. Der französische Meisterkoch Auguste Escoffier, der unter anderem im „The Ritz-Carlton“ wirkte, begann, die klassische Küche neu zu denken, er systematisierte und vereinfachte Gerichte. Verwendete schon damals saisonale Zutaten und vermied Garnituren. Sein Motto hat heute wieder an Bedeutung gewonnen: „So wenig sich ein schlechter Wein zu einem edlen Tropfen entwickelt, so wenig kann mit minderwertigem Material ein wirklich gutes Gericht hervorgebracht werden.“

Filmlegende Marlene Dietrich liebte es, im Londoner „The Savoy“ abzusteigen – und ihren Fans zuzuwinken. Das Foto stammt von 1949.

Individuelle Behandlung

Das „The Ritz-Carlton, Paris“ zählt noch heute als erste Adresse in Sachen Fünf-Sterne-Hotels. Dabei stammte sein Gründer aus einfachen Verhältnissen, der Bergbauernsohn Cäsar Ritz kommt aus den Schweizer Alpen, im Sommer war er Ziegenhirt. Die Weltausstellung lockte ihn 1867 nach Paris. Das Erfolgsrezept seiner Hotels war einfach und doch höchst kompliziert: Er verstand es früh, die Gewohnheiten und Vorlieben seiner wohlhabenden Gäste zu erforschen und darauf zu reagieren.

Eine Uniform und perfekte Umgangsformen: Der Concierge gehört zu einem Grandhotel wie das Silber- besteck auf dem Tisch.

Wahrer Luxus liegt in der individuellen Behandlung. Nicht jeder braucht dasselbe. Der eine möchte in Ruhe gelassen werden, der andere liebt es, dass ständig nach seinem Befinden gefragt wird. Dass nicht jeder über einen Kamm geschert wird, darin liegt freilich auch die Zukunft des Tourismus. Man möchte individuelle Pakete, Luxusausstattung alleine reicht nicht mehr. Man möchte sich wie ein Stammgast fühlen, selbst, wenn man zum ersten Mal in einem Resort oder Hotel absteigt. Genau darin unterscheiden sich gute von schlechten Unterkünften. Und, wie Cäsar völlig richtig erkannt hat, ein Hotel, in dem das Menü nicht stimmt, wird sich nicht lange an der Spitze halten können. Oft liegt die Zukunft des Reisens einfach in der Vergangenheit. Man hat schließlich früher bestens gewusst, was Luxus bedeutet. Man muss diesen Ansatz nur wiederentdecken und an die Gegenwart anpassen.

Wohnen wie eine Prinzessin: Die Suite Impériale im „The Ritz-Carlton, Paris“ lädt zum Träumen von alten Zeiten ein. Historische Aufnahmen des „The Ritz-Carlton, London“ zeigen, dass ein dramatischer Hut nie verkehrt ist.

Picture Credits: Kevin Metallier, akg-images / picturedesk.com, Ritz Paris/Vincent Leroux, canonphotos, Wonderhatch/Simon John Owen, Getty Images

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