Trend Watch Slow Travel: Die Welt erleben, anstatt sie nur zu sehen
Slow Travel bringt uns zu den Wurzeln des Reisens zurück: Es ist der feine Unterschied, einen Ort nicht bloß gesehen, sondern ihn auch erlebt zu haben.
1. Mai 2022
Die Reiselust ist groß. Womöglich sogar größer als je zuvor. Die Art und Weise wie wir reisen hat sich in den letzten Jahren jedoch grundlegend verändert. Ein erhöhtes Bewusstsein für Sicherheit und Gesundheit hat uns dazu bewegt, unsere Prioritäten komplett neu zu überdenken. Vielleicht liegt es auch zum Teil daran, dass wir es nach langer Pause wieder mehr zu schätzen wissen, in der privilegierten Lage zu sein, die Welt bereisen zu können. Was auch immer der Grund dafür ist, unsere Ansprüche an eine Reise haben sich geändert. Die Schere zwischen Touristen und Reisenden geht immer weiter auseinander. Während die einen gestresst darauf aus sind, eine Sehenswürdigkeit nach der anderen von ihrer Liste abzuhaken, wollen die anderen in die lokale Kultur eines Reiseziels eintauchen und ein Gefühl für das örtliche Leben bekommen. Die wichtigen Sehenswürdigkeiten können warten, es gibt wichtigere Dinge zu erleben. Und so wurde der Slow Travel Trend geboren.
Einfach mal einen, zwei oder auch drei Gänge runter schalten. Bei Slow Travel ist der Weg manchmal das Ziel. © S. Migaj/Unsplash
Was bedeutet Slow Travel genau?
Beim Slow Travel geht es vor allem um Verbindung: zu der Kultur eines Ortes, seinen Einwohnern, dem Essen und der Kunst. Man möchte dabei eine bildende Erfahrung machen, die einen auf emotionaler Ebene berührt und den eigenen Horizont erweitert. Ebenso ist es bei Slow Travel wichtig, die lokale Umgebung zu schützen und der Natur einer Destination gegenüber nachhaltig zu handeln. Man möchte einen Ort dabei wahrnehmen, ihn aber nicht sprichwörtlich verbrauchen.
Auch ein Städtetrip kann dem Slow Travel Prinzip entsprechen. Wichtig ist nicht wo, sondern wie. © Alex Vasey/Unsplash
Slow Travel bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass eine Reise mehrere Wochen dauern muss. Auch ein Kurztrip am Wochenende kann diesen Ansprüchen gerecht werden. Es geht dabei weniger darum, welchen Ort man besucht, sondern wie man ihn wahrnimmt.
Ins lokale Leben eintauchen und einfach mal verloren gehen ist eine gute Möglichkeit, seinen Horizont zu erweitern. © Max Libertine/Unsplash
Abseits ausgetretener Pfade
Eine gute Möglichkeit, eine Destination wie ein Local zu erleben, ist sich nicht unmittelbar im Zentrum einzunisten und sich nicht primär in beliebten Touristen-Hotspots aufzuhalten.
Auch ein kleines Fischerdorf kann eine unvergessliche Destination sein, wenn man in das örtliche Leben eintaucht. © Vincent Giersch/Unsplash
Sich eine Unterkunft in einer Wohngegend zu suchen und dort das lokale Leben zu sehen, kann sehr aufschlussreich über die Identität eines Ortes sein. Manchmal hilft es auch, nicht schüchtern zu sein und über seinen eigenen Schatten zu springen und ein Gespräch mit Locals zu suchen. Die Chancen sind sehr hoch, dass einheimische Personen sich sogar freuen, wenn Reisende wirklich Interesse an ihrem Leben und ihrem Zuhause zeigen.
Abseits der Sehenswürdigkeiten kriegt man ein Gespür für lokales Leben. © Alex Pleskovich/Unsplash
Probieren geht über studieren
Wenn etwas untrennbar mit der Identität eines Ortes verbunden ist, dann ist es Essen. Die Geschichte traditioneller Gerichte geht oft unerwartet weit zurück und ist unglaublich aufschlussreich über ein Volk und seine Bräuche. Wer sich ein Restaurant sucht, das hauptsächlich von Locals besucht wird, hat eine viel größere Chance, in den Genuss authentischer regionaler Cuisine zu kommen. Auch hier macht sich Mut oftmals bezahlt: Anstatt immer nur das zu bestellen, von dem man sicher ist, dass man es auch mag, sollte man sich trauen, etwas völlig Neues zu probieren und seine Geschmacksknospen ein wenig herauszufordern. Das Personal um eine Empfehlung zu bitten, kann entscheidungsschwierigen Reisenden auch dabei helfen, eine neue kulinarische Erfahrung zu machen.
Die schicksten Lokale sind nicht immer die besten: Wer dort isst, wo auch die Einheimischen sind, hat garantiert eine authentische Erfahrung. © Marialaura Gionfriddo/Unsplash
Italienische Küche ist immerhin auch weit mehr als bloß Pizza und Pasta – und selbst hier gibt es meist riesige Unterschiede zwischen den Varianten, die bei Touristen und bei Locals beliebt sind. Dasselbe gilt so ziemlich für die Kulinarik eines jeden Landes. Man muss nur aufgeschlossen genug sein, seine Comfort Zone zu verlassen. Kleiner Tipp: Nach dem Essen in einem Restaurant darum bitten, kurz mit dem Koch sprechen zu können, bietet weitere Einblicke in die Zubereitung und die Geschichte eines Gerichts. Wer erhält schließlich nicht gerne Komplimente und unterhält sich mit interessierten Leuten über seine Talente?
Schon mal Spaghetti ai Ricci di Mare probiert? Pasta mit Seeigeln ist in Italien eine köstliche Delikatesse, in deren Genuss man ohne die Empfehlung von Locals womöglich nicht kommen würde. © Shutterstock
Dann doch einfach beim nächsten Mal
Ein Gefühl, das jeder kennt: Der Tag neigt sich dem Ende, aber die To-Do-Liste ist noch längst nicht abgehakt. Anstatt gestresst von einem Punkt zum nächsten zu sprinten, kann man auch einfach mal verweilen und die Liste eine Liste sein lassen. Der Sinn von Slow Travel ist nicht, einen Ort in seiner Gänze zu erleben, sondern einfach seine Essenz wahrzunehmen. Jeder Tag hat nun mal eine limitierte Anzahl an Stunden – und das ist auch okay. Ein wichtiger Teil von Slow Travel ist es zu lernen, einfach mal keinen Plan zu haben und zu sehen, wohin einen die Reise führt. Und was man diesmal nicht schafft, spart man sich einfach fürs nächste Mal auf. Wenn man eine Verbindung zu einem Ort aufgebaut hat, ist es doch schön, einen Grund zu haben um wiederzukommen.
Venedig hat abseits der berühmten Sights unendlich viel zu bieten, deshalb lohnt es sich, einfach mal die zahlreichen schmalen Gassen zu erkunden und zu sehen, was die Venezianer in ihrem Alltag so treiben. Die Rialtobrücke ist auch beim nächsten Mal noch da, versprochen. © Ludovico Lovisetto/Unsplash
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