Firmdale
© Simon Brown
DesignHotelPortrait

Die Hotels dieser Designerin punkten mit kunterbuntem Charme

Es ist ein Gefühl des Nachhausekommens, das einen umfängt, wenn man zum ersten Mal ein Haus von Firmdale Hotels betritt. Ein Zufall ist das nicht – denn Kit Kemp, Designerin, Creative Director der Gruppe und Teil des Eigentümerduos, wählt jedes Detail mit Sorgfalt aus.

29. November 2022


Die Geschichte einer der bekanntesten Boutiquehotel- Gruppen der Welt begann, wie Erfolgsstorys das meistens tun: aus einem Bedürfnis heraus, etwas zu verbessern. „Mein Mann Tim und ich hassten es richtiggehend, in Hotels zu übernachten. Es war immer das gleiche nichtssagende Erlebnis. Zumindest in den meisten Hotels“, erinnert sich Kit Kemp an die Geburtsstunde von Firmdale Hotels. „Uns schwebte etwas vor, das sich davon unterscheidet.“ Dass es funktionieren würde, daran zweifelte die Britin keine Sekunde – und das, obwohl sowohl ihr Mann als auch sie vor der Eröffnung ihres ersten Boutiquehotels im Jahr 1985 mit der Hotellerie nur aus Gästesicht etwas zu tun gehabt hatten.

Kit Kemp

Vibrant Collaborations: Firmdale-Chefin Kit Kemp arbeitete für große Interior-Brands wie Anthropologie und Wedgwood. ©Simon Brown

Erfolgreiche Quereinsteiger

So begann Judith Kit Kemp, wie die 1950 Geborene mit vollem Namen heißt, ihre berufliche Laufbahn unter anderem als Mitarbeiterin eines Auktionators; außerdem war sie im Büro eines griechischen Schifffahrtsunternehmens tätig. Schon damals war sie sehr effizient und mit Hands-on-Mentalität ausgestattet, es sollte aber noch etwas dauern, bis sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen konnte. Für diesen Weg studierte sie zunächst Grafikdesign und begann, für den polnischen Architekten Leszek Nowicki zu arbeiten. Während dieser Zeit traf sie auch Tim Kemp, ihren späteren Ehemann.

Firmdale Hotels

In Londons quirligem Soho, unweit des edlen Stadtteils Mayfair, liegt das 2014 eröffnete „Ham Yard Hotel“ – eine Ode an die Lebensfreude. © Simon Brown

Nicht nur die Liebe zueinander, auch die Abneigung gegen Hotels verband die beiden. Während Ersteres für drei Töchter sorgte, von denen mittlerweile zwei selbst im Familienbusiness tätig sind, entstanden aus Letzterem die Firmdale-Hotels. Was heute ein Portfolio von zwei Häusern in New York sowie acht Hotels und einem Apartmentkomplex in London umfasst, begann Mitte der 1980er mit der Eröffnung des „Dorset Square Hotel“ im Londoner Stadtteil Marylebone. Untergebracht in einem wunderschönen Regency-Townhouse und mit nur 38 individuellen Zimmern ausgestattet, sollte es ton angebend für die gesamte Gruppe werden – denn schon vor über 35 Jahren war den Kemps klar, dass sie fröhliche Orte mit Charakter und Leichtigkeit erschaffen wollten. Dazu gehört, dass auf die Orte und ihre Geschichte Bezug genommen wird: Das „Dorset Square Hotel“ etwa blickt auf das ehemalige Cricketfeld des berühmten Profispielers Thomas Lord (1755-1802). Das Thema zieht sich durchs ganze Haus – so sind etwa die Türknöpfe der Kleiderschränke Cricketbälle.

Firmdale Hotels

Urbanes Flair: Das New Yorker „The Whitby“ begeistert mit Mustermix und seiner Lage in der Nähe des Central Parks. © Simon Brown

Im „Charlotte Street Hotel“ finden sich Anspielungen auf die „Bloomsberries“, eine Gruppe englischer Künstler, Intellektueller und Wissenschaftler, die von 1905 bis zum Zweiten Weltkrieg existierte. Originalteile und ein Wandgemälde in der Brasserie nehmen auf diese Periode Bezug. Neben Referenzen auf die Vergangenheit findet natürlich auch die Moderne ausreichend Platz in Kemps Designs. Sie findet ihren Niederschlag in kräftigen Farben und mutigen Mustern; die Wände zieren Kunstwerke von jungen Künstlern, denen die Kreativchefin von Firmdale Hotels eine Plattform bieten möchte.

Firmdale Hotels

Kit Kemp für zu Hause: Für das Interior-Label Annie Selke entwarf Kemp von London, New York und Barbados inspirierte Textilien. © Simon Brown

Ausgezeichnet mit Verdienstorden

Die meisten Dekostücke, Möbel und Textilien sind Handarbeit – nicht nur meisterlich gefertigt, sondern auch mit einer Extraportion Herz, davon ist Kemp überzeugt. So unterschiedlich die Hotels auch sein mögen, gibt es doch verbindende Elemente: So findet sich in jedem Zimmer eine der Schneiderpuppen, die mittlerweile zum Firmenlogo von Firmdale Hotels geworden sind. Zudem wird in jedem Haus Kemps Schwäche für edle Wandstoffe sichtbar, und auch die Kunstwerke, die Wandervögeln gleich von Hotel zu Hotel ziehen, sorgen für Dynamik in einer ohnehin schon lebendigen Umgebung.

Firmdale Hotels

Family Business: Viele Räume tragen die Namen von Familienmitgliedern; der Aminata Room jenen von Kemps Tochter. © Simon Brown

Mit Moodboards arbeitet die Designerin laut eigenen Angaben nie. Sie möchte Textilien spüren und Farben in natürlichem Licht sehen, nicht auf einem Bildschirm. Umso erstaunlicher ist es, dass sie es am Ende immer wieder schafft, scheinbar Unvereinbares gekonnt zu kombinieren. Denn wer hätte schon geahnt, dass sich ein Haufen alter Sportschuhe im wunderschönen „Ham Yard Hotel“ ganz famos als Wanddekoration machen würde?

Kit Kemp Boutiquehotel

Sie liebt (fast) alle Farben: Kit Kemp mag kräftige Töne – Violett kommt in ihren Designs interessanterweise aber kaum vor. © Simon Brown

Ihrem eigenen Anspruch werden Kit und Tim Kemp seit mehr als 35 Jahren gerecht: „Hotels sollen lebendige Orte sein, keine spießigen Institutionen“, betonen die beiden oft. Und weil auch das eigene Zuhause ein Recht auf fröhliche Kemp-Kreativität hat, ist die Self-made-Designerin nun unter die Einrichtungsratgeber-Autorinnen gegangen und entwirft in Zusammenarbeit mit zahlreichen großen Marken farbenfrohe Bettbezüge, Teppiche, Kissen, Accessoires und Geschirr. Für ihre Arbeit wurde Kemp sogar mit einem Verdienstorden des britischen Königshauses ausgezeichnet.

Kit Kemp Boutiquehotel

Kunterbuntes Boutiquehotel: Wo einst ein Bombentrichter aus dem Zweiten Weltkrieg klaffte, füllt heute das Londoner „Ham Yard“ die Lücke. © Simon Brown

Dieser Artikel erschien in der Falstaff TRAVEL Ausgabe Herbst 2022.

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