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Der Traum vom Fliegen: Ist das die Zukunft der Luftfahrt?

Nach der Pandemie stellt sich verstärkt die Frage, wie zeitgemäßes Reisen, das auf Nachhaltigkeit und Luxus Wert legt, aussehen könnte.

15. Dezember 2022


Stilvoll abheben

Jogginganzug, bequeme Schuhe und Nackenstütze im Handgepäck: So sehen die meisten Fluggäste heute auf Langstreckenflügen aus, egal, in welcher Klasse sie reisen. Aber es gab auch eine Zeit, da war Fliegen eine schicke Party in der Luft, vor allem, wenn man das Privileg hatte, in der „Königin der Lüfte“, wie die Concorde einst genannt wurde, zu reisen. Superreiche nutzten den Flieger, um in sagenhaften dreieinhalb Stunden mit Überschallgeschwindigkeit die knapp 6000 Kilometer von Paris nach New York zurückzulegen, und zwar in größtmöglichem Stil. „Es war wie eine Art letztes Aufbäumen der goldenen Ära des Reisens. Man hat sich dafür immer besser angezogen als sonst, weil man nie wusste, wem man begegnen würde“, erinnert sich Supermodel Cindy Crawford.

Lange Zeit glichen Flugbegleiter Hotelpagen – seitdem hat sich modisch so einiges getan. © Foto: Aus dem Buch „Supersonic“/Prestel Verlag/courtesy the Adrian Meredith Concorde Collection.

Statussymbol und Mythos

Die Concorde war stets mehr als ein Transportmittel: Sie war Statussymbol und Mythos, eine Art Eintrittskarte in den Jetset. Am 22. November 1977 brach die erste Concorde von Paris nach New York auf: Als Vorspeise gab es Hummermedaillons, Sternekoch Alain Ducasse hatte das Menü zusammengestellt, Champagner floss in Strömen, Kaviar wurde serviert. Paul McCartney soll während eines Flugs spontan ein paar Beatles-Songs angestimmt haben, Andy Warhol schwärmte für das Silberbesteck und rief dazu auf, es mitgehen zu lassen. „27 Jahre lang, von 1976 bis 2003, war die Concorde das natürliche Habitat der Reichen und Superreichen, der Mächtigen und Supermächtigen“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ über dieses Ausnahmeflugzeug, das schon damals unter Beschuss stand – denn wirtschaftlich rechnete es sich nicht, obwohl die Tickets zwischen 4500 und 11.000 Euro kosteten. Der Kerosinverbrauch war enorm, der Lärm nicht nur bei Start und Landung ohrenbetäubend, weshalb viele Länder die Landeerlaubnis verweigerten. Nach einem verheerenden Unfall, bei dem im Juli 2000 113 Menschen starben, ging die Epoche der Concorde langsam zu Ende; 2003 wurde sie endgültig in den Ruhestand geschickt.

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First-Class-Passagiere dürfen sich bei Emirates über Privatsphäre und ein fürstliches Mahl freuen. © Emirates

Die Geschichte der Luftfahrt

Erst 1903 erhoben sich die Gebrüder Wright zum ersten Mal mit ihrem motorisierten Fluggerät in die Lüfte – der „Hopser“ dauerte zwölf Sekunden. Damals dachte wohl niemand, dass Passagierflugzeuge einmal zu etwas Selbstverständlichem werden würden. In den 1920ern war Fliegen immer noch äußerst unbequem: Man musste sich gemeinsam mit seinem Gepäck abwiegen lassen, die Flüge selbst waren laut und kalt (es gab keine Heizung an Bord) und die Passagiere bekamen die Vibrationen der Motoren direkt mit. In den frühen 1930ern kamen dann Ledersitze und Bordservice auf; ab Mai 1928 servierte die Lufthansa ihren Gästen als erste Fluglinie ein komplettes Menü – mit edlem Geschirr und frischen Blumen. Es gab warme Suppen und Kaffee aus Thermoskannen. Für den Service waren sogenannte Luftboys zuständig, die auch von der Uniform an Hotelpagen erinnerten. Erst in den 1960ern wurde Fliegen auch für Durchschnittsbürger erschwinglich – das damalige Traumziel hieß Mallorca. Die Ära der Großraumflugzeuge begann schließlich in den 1970ern mit der Boeing 747.

Jetset

In unglaublichen dreieinhalb Stunden flog die Concorde (bis 2003) von Paris nach New York. An Bord: der Jetset. © Foto: Aus dem Buch „Supersonic“/Prestel Verlag/courtesy the Adrian Meredith Concorde Collection.

Kaum zu glauben, dass es erst an die 100 Jahre her ist, dass Passagiere überhaupt mit dem Flugzeug reisen konnten. Wohin ist der einstige Zauber verflogen? Fliegen ist für viele ein lästiges Übel geworden: Aktuell herrschen auf Flughäfen Chaos und Warteschlangen, verlorenes Gepäck steht herum – Luxus sieht anders aus. Schon in der Pandemie zeichnete sich ab, dass unnötige Geschäftsflüge gestrichen wurden und man sich lieber online austauschte. Zugleich boomten bei wichtigen Treffen Privatjets, um bequem und sicher ans Ziel zu gelangen, anstatt auf einem Flughafen festzuhängen.

Die Zukunft der Flugreisen

Die britische Agentur Globetrender, eine sichere Quelle für die Prognose von Reisetrends, spricht von einem neuen Hedonismus, der auf uns zukommt, wenn es ums Reisen geht. Alles, was während der Pandemie nicht möglich war, soll jetzt nachgeholt werden. Wie diese Haltung mit Achtsamkeit und Umweltbewusstsein einher gehen soll, ist natürlich eine widersprüchliche Angelegenheit: Die Fluglinien kämpfen an zwei Fronten – sie müssen sich Gedanken machen, wie sie ihre CO2-Emissionen deutlich reduzieren, ob alternative Antriebsarten (Stichworte Wasserstoffjet und Elektroflugzeug) Zukunftspotenzial haben und ob Biomasse aus Zuckerrüben, Algen oder Holz als Treibstoff infrage kommt.

Flugzeug

Die Boom Overture könnte die Zukunft der Luftfahrt sein. © 2022 Boom Supersonic

Ein kleines Luftfahrtunternehmen aus aus den USA scheint die Antwort auf alle diese Fragen zu kennen. Mit der Boom Overture hat das Start-up Boom Technology ein Überschallflugzeug entwickelt, das beinahe so schnell ist wie die Concorde, fast genauso viele Passagiere befördern kann und eine ähnliche Reichweite hat. Und jetzt kommt’s: Der neue Flieger wird mit CO2-neutralem Treibstoff betrieben. 45 Exemplare sind bereits bestellt; Virgin, Japan Airlines und United Airlines stehen auf der Käuferliste. Ab 2029 soll die Overture den Atlantik in sagenhaftem Tempo linienmäßig überfliegen.

Privatjet-Flüge als Schnäppchen

Die großen Gewinner der Pandemie sind jedoch die Privatjet-Anbieter, die direkter auf Kundenwünsche eingehen können. Der deutsche Privatjet-Profi Designreisen etwa rechnet vor, dass ein zweistündiger Flug nach Venedig ab 7250 Euro kostet (die Maschine hat fünf Sitzplätze), ein vierstündiger Flug nach Capri ab 14.050 Euro (mit acht Sitzplätzen). Dafür ist aber völlige Flexibilität bei den Abflugzeiten garantiert. Der Terminal für Privatjets ist abgegrenzt vom Linienterminal, das bedeutet: keine Wartezeiten. Eine Limousine bringt einen direkt zum Flugzeug; Destinationen, bei denen man sonst umsteigen müsste, werden direkt angeflogen.

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Schneller als die Konkurrenz: Der „Spike S-512 Supersonic“-Businessjet ist ein atemberaubend eleganter und innovativer Geschäftsjet, der seine Passagiere in der Hälfte der Zeit, die andere Jets benötigen, an ihr Ziel bringt. © beigestellt

Früher sparte man eher beim Flug, um sich danach Luxus zu gönnen. Inzwischen setzen viele Anbieter auf maßgeschneiderte Pakete, die eine möglichst bequeme und pünktliche Anreise garantieren. Der wahre Luxus sind mittlerweile nicht mehr Champagner und die Jetset-Gesellschaft, gefragt sind viel Platz und das Ver meiden von Menschenmengen: Alleinsein ist der neue Glamour. Natürlich hat das seinen Preis, aber auch daran wird gearbeitet: Die neue App „Catch a Jet“ soll es einem breiten Publikum ermöglichen, per Privatjet zu fliegen. Angezeigt werden sogenannte Leerflüge, die entstehen, wenn ein Flieger nur in eine Richtung gebucht wurde. Mit etwas Glück werden diese Leerflüge um bis zu 75 Prozent unter dem regulären Preis angeboten – ideal, um mit Freunden einen abenteuerlichen Luxusurlaub zu starten. Man fühlt sich garantiert wie ein Star, nur eben ohne Fans. Aber die wären ohnehin nur lästig im Urlaub.

Dieser Artikel erschien in der Falstaff TRAVEL Ausgabe Herbst 2022.

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