Das Sacher: Eine Wiener Hotelikone
Nur wenige Luxushotels in Europa haben einen solch legendären Ruf wie das „Sacher“ in Wien. Das Palais im ersten Bezirk erzählt von historischen Brüchen, kulturellen Strömungen und süßen Versuchungen. Zu Besuch bei einer globalen Ikone.
28. Januar 2025
© laif/Peter Rigaud
Ach, was waren das für Zeiten, als in Wien nur der British Club im „Hotel Sacher“ einen ordentlichen Scotch oder einen starken Sliwowitz von überragender Qualität servierte! Die Engländer führten das Haus nach dem Zweiten Weltkrieg, legten Wert auf vernünftigen Fusel – und deshalb logierte im Februar 1948 auch der Schriftsteller Graham Greene im plüschigen Ambiente.
© Hotel Sacher Wien
Er sollte im Auftrag des Hollywood-Produzenten Alexander Korda ein Drehbuch über die damals von den Alliierten geteilte Stadt schreiben. Zwei Wochen suchte er nach Inspiration, verzweifelte angesichts fehlender Ideen. „Drei Tage übrig und ich habe noch keine Geschichte – nicht einmal einen Erzähler!“, schrieb er in sein Tagebuch. Am vorletzten Tag traf er einen jungen Geheimdienstmitarbeiter in der „Blauen Bar“ des Hotels. Der zukünftige Duke of St. Albans berichtete von unterirdischen Tunneln und politischer Intrige. Greene war elektrisiert. Seine Fantasiefabrik lief auf Hochtouren, er schrieb sich Notizen auf seine Serviette. Und so wurde „Der dritte Mann“, einer der bekanntesten Wien-Filme aller Zeiten, in einem der legendärsten Hotels der Stadt geboren.
Ikone mit Zigarre und Bulldogen
© Hotel Sacher Wien
Als „Hôtel de l’Opera“ wurde es 1876 von Eduard Sacher hinter der Staatsoper eröffnet. Nach seinem frühen Tod übernahm 1892 seine Witwe Anna Sacher und machte aus dem Stadtpalast eine herrschaftliche Adresse. Wie ihr Unternehmen wurde die Besitzerin zur Ikone: Sie rauchte in der Öffentlichkeit Zigarre (Skandal!), tat eigentlich keinen Schritt ohne ihre Französischen Bulldoggen und galt als durchaus einschüchternde Geschäftsfrau. Deshalb wagte es lange Zeit niemand, nach den Finanzen zu fragen – 1929 wurde Frau Sacher entmündigt, das Vermögen war aufgebraucht.
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1962 übernahm die Familie Gürtler das „Hotel Sacher“, Georg Gürtler und seine Schwester Alexandra Winkler führen es seit 2015. Die dunkelblauen Brokatwände, Kristalllüster und üppig gepolsterten Sofas erzählen noch von der Vergangenheit. Doch Alexandra Winkler hat in Zusammenarbeit mit dem französischen Designer Pierre-Yves Rochon eine moderne Formensprache gefunden. Die 152 Zimmer und Suiten verfügen über Marmorbäder wie Suite-Tablets; im Restaurant kreieren die Küchenchefs saisonales Fine Dining, über den Dächern Wiens entspannen Gäste bei einer Chocolate-Signature-Behandlung im Spa.
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Die berühmte Schokoladen-Marillen-Torte spielt in der Geschichte des Hotels eine enorme Rolle. Sie wird 360.000 Mal pro Jahr für das Haus gebacken, trägt dessen Namen auf alle Kontinente – und verführt zu mancher Provokation. Der britische Kochbuchautor Nigel Slater schrieb einmal, die elegante Einfachheit des berühmtesten Schokoladenkuchens der Welt sei für viele Menschen eine Enttäuschung. Der italienische Filmemacher Nanni Moretti dagegen schätzt die Torte so sehr, dass er eine Produktionsfirma sowie sein Kino in Rom nach ihr benannte.
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Noch ein Fan: Im März 1969 luden John Lennon und Yoko Ono zu einer „Bagism“-Aktion in den „Roten Salon“ des Hotels. Dazu schlüpften der ehemalige Beatle und seine Frau unter ein Leinentuch. Mit diesem Sack über dem Kopf beantwortete Lennon Fragen. Ein Reporter bat ihn, das Tuch abzulegen: „Würdet ihr rauskommen, wenn wir euch Sachertorte geben?“ Lennon erwiderte: „Wir kommen nicht für die Konferenz raus. Aber wir werden später für Schokokuchen rauskommen.“ Der Musiker wusste, wo seine Prioritäten lagen.
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Außer ihm übernachteten im Fünf-Sterne-Luxushotel Staatsoberhäupter, Könige und Prominente. Der Dirigent Herbert von Karajan, Balletttänzer Rudolf Nurejew und US-Präsident John F. Kennedy etwa. Regisseur Ernst Marischka ließ sich von einer in der Lobby aufgestellten Sisi-Büste inspirieren, die damals junge Schauspielerin Romy Schneider im gleichnamigen Film als Kaiserin zu besetzen.
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Über die Jahrzehnte hat das „Hotel Sacher“ so einen globalen Echoraum geschaffen, der es auf eine Stufe mit dem „Ritz“ in Paris oder dem „Waldorf Astoria“ in New York stellt; allesamt historische Häuser, die ihr Erbe pflegen und Qualität versprechen. Das Sacher hat einfach Seele – und natürlich eine wunderbare Schokoladenseite.
Web: sacher.com
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Dieser Artikel erschien in der Falstaff TRAVEL Ausgabe Winter 2024/25.