Back to the Roots
Ob Biohacking auf den Malediven, ein Outdoor-Kochkurs in der Arktis oder ein Besuch im Wald, um Pilze für das Abendessen zu sammeln, während das Handy an der Hotelrezeption bleibt: „Back to the Roots“-Erfahrungen boomen. Luxushotels bieten maßgeschneiderte Urlaube an, die uns die Natur und traditionelle Rituale hautnah erleben lassen.
8. August 2022
Mit „Ich-Zeit“ wirbt so manches Hotel, um dann doch nur ein Standardprogramm abzuspulen. Das luxuriöse Sechs-Sterne-Resort Patina Maldives auf einer der Fari Islands nimmt es hingegen sehr ernst mit der Individualität: Erst mal geht es darum, die Stille des Orts zu erfahren – eine Schlaftherapie hilft, nach einem langen Flug im Paradies unter Palmen anzukommen. Oder lieber Biohacking ausprobieren?
Modernes Design mit paradiesischer Aussicht. © Georg Roske
Ein Begriff, der schon seit einiger Zeit durch die Medien geistert; dabei handelt es sich um Behandlungen, die den Alterungsprozess verzögern und die Energie steigern. Im Patina Maldives hat man die Möglichkeit, diese je nach Lust und Laune zu erkunden. Achtsamkeit wird dabei großgeschrieben: Die Köche zeigen gern ihren Garten, wo sie Biogemüse anbauen, und erklären, was es mit Superfood auf sich hat. Zahlreiche Sträucher wurden von einer Nachbarinsel gerettet, wo sie einer Industrieanlage weichen mussten.
Superfood-Erfahrung: Mitarbeiter des Patina Maldives zeigen, welche Kräuter und Lebensmittel das Immunsystem stärken. © Georg Roske
Das Resort soll ein Ort sein, an dem man zu sich findet und eine neue Verbindung zur Natur herstellt; und auch die kleinen Gäste werden spielerisch an das Thema Nachhaltigkeit herangeführt. Schon vor der Pandemie hat sich abgezeichnet, dass wir im Urlaub mehr suchen als bloß oberflächliche Eindrücke.
Das Motto lautet: Luxus ja, aber bitte mit Erfahrungsmehrwert. „Back to the Roots“ nennt sich dieser Reisetrend, der Camping ebenso einschließt wie gemeinsam mit Cowboys eine Rinderherde zusammenzuhalten, einen Töpferworkshop zu absolvieren, Trüffeln zu suchen, ein traditionelles Instrument zu lernen oder Rituale auszuprobieren, die sonst nur Einheimischen vorbehalten sind.
Harmonie auf dem Teller: Auch beim Essen setzt man im luxuriösen „Patina Maldives“ auf Ästhetik und Bioprodukte. © Georg Roske
Lokale Speise-Traditionen
Der Bericht von American Express „2022 Global Travel Trends“ hat die Reisegewohnheiten nach der Pandemie unter die Lupe genommen. 81 Prozent der Befragten möchten demnach Reiseziele besuchen, an denen sie in die Kultur des Landes eintauchen können, und sie haben den Wunsch, dass das von ihnen ausgegebene Geld in die lokale Gemeinschaft zurückfließen soll.
Erholung zwischen Nachhaltigkeit und Selbstverwirklichung boomt – gerade nach der Vereinsamung in den Lockdowns versucht man nun wieder verstärkt, eine sinnvolle Verbindung zur Welt aufzubauen. Man möchte, dass Reisen einen bleibenden Eindruck und Spuren im eigenen Leben hinterlassen – und positiven Input für die Region bedeuten. Das Angebot ist mittlerweile riesig: Im hippen Tulum Treehouse wird minimalistisch-elegant gewohnt, zu essen gibt es lokale, meist vegane Spezialitäten.
Kulinarische Handwerkskunst baut auf regionale Lebensmittel. © Conie Suarez Bravo
Der Mais, das Herz der mexikanischen Esskultur, wird erst von Hand mit einer Steinmühle fein gemahlen und dann mit Techniken zubereitet, die bis in vorspanische Zeiten zurückreichen. Gekocht wird über offenem Feuer. Wie extrem die „Back to the Roots“-Erfahrung sein soll, kann jeder Gast selbst entscheiden. Viele Experiences, die Hotels anbieten, lassen sich bequem vor Ort buchen, falls es einem doch zu langweilig wird, faul in der Hängematte zu liegen; oft lassen sich dabei Wildnis und Luxus ideal kombinieren.
Wer nicht unbedingt auf die harte Tour lernen möchte, wie man in freier Natur überlebt, der ist auf der schottischen Isle of Skye richtig: Das Hotel und Restaurant Kinloch Lodge ist ein historischer Familienbetrieb, dessen Ziel es ist, einen ebenso unprätentiösen wie luxuriösen Rückzugsort zu bieten.
„Digital Detox“ nennt sich ein Paket, das angeboten wird. „Es mag radikal klingen, wenn das Handy und alle anderen digitalen Geräte an der Rezeption abgegeben werden“, gesteht Gastgeberin Isabella Macdonald, die im Hotel ihrer Eltern aufgewachsen ist, das einsam am Wasser liegt. „Aber genau darum geht es – einmal offline zu sein und sich mit der Natur zu verbinden. Unsere Gäste erhalten ein Malset und einen Notizblock, um ihre Eindrücke festzuhalten.
Und wir haben eine große Bibliothek, in der man abends schmökern kann.“ Außerdem geht es täglich in den Wald und ans Meer auf Nahrungssuche, um Pilze, Sauerampfer, Seetang, Muscheln und Meerfenchel zu sammeln. Ebenfalls im Detoxpaket: Um in der Wildnis zu überleben, lernen die Gäste traditionelle Feueranzündtechniken.
©Conie Suarez Bravo
Kochen mit Nordlicht
Die Inselgruppe der Lofoten im Norden von Norwegen ist nicht gerade das, was man gemütlich nennt. Die Natur ist wild und rau, man fühlt sich als Mensch ziemlich klein. Im Winter sieht man Nordlichter, der Sommer ist kurz, aber intensiv. Wer sich in diese entlegene Gegend verirrt, der möchte sich den Elementen aussetzen, spüren, was es heißt, der kargen Arktis die Nahrung abzutrotzen. Das große Abenteuer ist, selbst – wie einst die Wikinger – Beeren und Pilze zu sammeln, fischen zu gehen und zu lernen, wie man mit diesen natürlichen Lebensmitteln umgeht. Es geht um Reichtum durch Reduktion.
©Holmen Lofoten
„Ein Restaurant am Rande der Welt“ nennt der britische Starkoch Valentine Warner sein Hotelrestaurant „Holmen Lofoten“. Die Gäste wohnen in alten Fischerhütten, die mit feinstem skandinavischem Design ausgestattet sind. Gekocht wird gemeinsam mit dem Spitzengastronomen – meist bei Wind und Wetter, outdoor in Funktionskleidung. „Wir haben unsere Verbindung zur Natur und zu uns selbst verloren. ‚Holmen Lofoten‘ ist ein Ort, an dem wir uns ausloggen und neu verbinden können, auch, um unsere sozialen Wurzeln zu erforschen“, sagt der bekannte Kochbuchautor und Food-TVStar Warner. „Das Wetter bestimmt den Tagesablauf und entscheidet darüber, ob man die Zeit beim Angeln verbringt, vielleicht in der Werkstatt ein Messer schmiedet oder sich einfach nur in Stille eine Auszeit gönnt.“
Besuch beim örtlichen Priester
Sinnsuche kann aber auch eine mentale und spirituelle Reise umfassen. Das „Banyan Tree Escape“ in Ubud auf Bali ist an sich bereits eine überirdische Erfahrung: Die luxuriösen 16 Villen mit Pool liegen erhöht im Dschungel, der 180-Grad-Panoramablick streift von den Baumhäusern über Reisfelder – an so viele unterschiedliche Grüntöne muss sich das Auge erst mal gewöhnen. Das Anwesen wurde vom lokalen Architekten Gede Kresna entworfen, der sich auf balinesisches Design und umweltfreundliche Architektur konzentriert.
©Bpso
Kochkurse und Besuche bei lokalen Produzenten gehören auch hier zum Standardprogramm; darüber hinaus kann man auch etwas über balinesische Medizin erfahren oder sich von einem Priester im örtlichen Dorftempel segnen lassen. Die Zeremonie zielt darauf ab, sich innerlich zu reinigen und sich mit dem Göttlichen zu verbinden. Religion als Wellnesserfahrung für Urlauber? Sicher klingen solche Angebote auch problematisch, weil sie Spirituelles konsumierbar machen; gleichzeitig ist es eine Gelegenheit, mehr über Glauben und Alltag der Balinesen zu lernen und sich in der Offenheit gegenüber fremdem Kulturgut zu üben.
Heilende Kräuter: Im „Banyan Tree Escape“-Resort in Ubud erfährt man viel über traditionelle balinesische Medizin. ©Banyan Tree Escape
Groß ist die Nachfrage jedenfalls nach alten Heilverfahren oder rituellen Tänzen, an denen Touristen teilnehmen können. Der Vorteil im Luxushotel ist, dass man selbst Grenzerfahrungen im geschützten Rahmen machen kann. Das „Paradero Todos Santos“-Resort in Mexiko bietet Temazcal an, eine traditionelle Maya-Zeremonie, die zur Reinigung von Körper, Geist und Seele angewandt wird. In einer Lehmhütte, die mit Vulkansteinen geheizt wird, nimmt ein lokaler Schamane die Zeremonie vor.
©Yoshihiro Koitani
Es duftet fantastisch, weil die Steine mit Pflanzenwasser besprüht werden, Musik und Gebete begleiten diese spezielle Erfahrung. Ob man davon etwas in den Alltag mitnehmen kann, ist ohnehin bei jedem Urlaub die Frage. Durch „Back to the Roots“-Erlebnisse hat man zumindest eine andere Perspektive auf das eigene Leben bekommen – und über ein Land mehr gelernt als nur beim Abhaken allseits bekannter Touristenattraktionen.
Wellness mit Mehrwert: Im „Patina Maldives“ geht es um den richtigen Flow – darum, Mensch und Natur zu verbinden. ©Georg Roske
Nachhaltige Luxus-Resorts
Paradero Todos Santos
©Yoshihiro Koitani
Im „Paradero Todos Santos“ gehören Farming und Star-Watching zum Programm. Auf der mexikanischen Halbinsel Baja California wurde ein Luxusresort gebaut, das sich dem sanften Tourismus verschrieben hat. Statt auf Strandnähe setzt man hier lieber auf die karge Wüstenlandschaft als Kulisse, und auch bei der Inneneinrichtung trifft rauer Beton auf gemütlichen Boho-Chic. Dabei teilt sich das Hotel in 35 Bauten auf, die um einen zentralen Garten gruppiert sind; eine Anordnung, die an historische Missionsanlagen in Kalifornien erinnert, mit dem Unterschied, dass nicht für eine Religion, sondern für mondäne Einkehr und ein authentisches Naturerlebnis geworben wird – ein Retreat für naturbewusste Bohemiens sozusagen. Das über zwei Hektar große Gelände schließt dabei an kleine Farmen an, am Horizont erhebt sich die Bergkette Sierra de la Laguna. Um das Hotel möglichst nahtlos in die Landschaft einzubetten, wurden 80 endemische Pflanzen auf dem Grundstück gepflanzt, zusätzlich wurde ein botanischer Garten angelegt. Während die Gartensuiten mit Hot Tubs und Hängematten ausgestattet sind, regen die Dachsuiten mit dem „Star Net“ über der Terrasse zum nächtlichen Sterneschauen ein. Doch die Gäste sollen nicht nur faulenzen, sie sollen auch etwas erleben: Dazu werden zahlreiche Aktivitäten angeboten – vom Surfen am 20 Minuten entfernten Strand bis hin zu Gemüseanbau-Workshops und geführten Wandertouren durch die Ökosysteme der Region.
Paradero Todos Santos
La Mesa KM 59 +3100, Carretera Todos Santos – Cabo San Lucas El Pescadero 23300, Mexiko
Tel.: +52 55 700 55 094
Web: paraderohotels.com
Preis: DZ inkl. Frühstück ab € 620,–
Banyan Tree Escape
No walls, no doors! Im „Banyan Tree Escape“ will man die Grenzen zwischen Mensch und Umwelt beseitigen. ©Banyan Tree Escape
Das „Banyan Tree Escape“ ist ein reizvolles Hideaway. 40 Autominuten nördlich von Ubud liegt das Adults-only-Retreat, das 16 luxuriöse Pfahlvillen umfasst. Für größtmögliche Nähe zur Natur kommen diese ohne Wände und Türen aus, haben aber private Infinitypools, geräumige Wohnbereiche und Terrassen mit Blick auf den Dschungel sowie die umliegenden Berge. Im Vordergrund des Aufenthalts steht eine „Naked Experience“, die unter anderem durch das Sammeln von Nahrung in Wald und Garten, das Zubereiten von traditionellen Gerichten sowie die Teilnahme an Zeremonien und das Erleben von uralten Behandlungen ermöglicht werden soll.
Buahan, Banyan Tree Escape
Jl, Buahan Kaja, Kec. Payangan, Kabupaten Gianyar, Bali 80572, Indonesien
Tel.: +62 361 6208181
Web: escape.banyantree.com
Preis: DZ ab € 820,–
Patina Maldives
©Georg Roske
Das Inselresort auf dem North-Malé-Atoll bietet einen exklusiven Rückzugsort. Der brasilianische Star-Architekt Marcio Kogan hat dafür moderne Meisterwerke im Einklang mit der Natur errichtet: Die Villen überzeugen mit natürlichen Materialien, die großen Fensterfronten lassen den Gast förmlich mit der Landschaft verschmelzen. Jede Villa bietet einen privaten Pool. Weiteres Highlight: Die „Roots“-Küche ist Slow-Food-inspiriert – hier werden nur saisonale Zutaten verwendet.
Patina Maldives
North Malé Atoll 20095, Malediven
Tel.: +960 9478 777
Web: patinahotels.com
Preis: DZ inkl. Frühstück ab € 1760,–
Castello di Vicarello
©Courtesy Castello di Vicarello
Im „Castello di Vicarello“ steht der Genuss im Fokus. Das Fünf-Sterne-Refugium liegt inmitten der grünen Hügel der toskanischen Maremma und ist ein mittelalterliches Schloss, das sanft restauriert wurde. Für die neun individuellen Suiten haben die geschmackssicheren Besitzer antike und moderne Möbel gekonnt gemischt. Vor der Tür erwarten die Gäste 40 Hektar Weinberge, Olivenhaine und Ackerland. Wer Lust hat, darf beim Anbau oder der Ernte anpacken, mit der Hausherrin kochen, die Trüffelsuche begleiten oder die hauseigenen Bioweine verkosten. Eine begabte Handwerkerin aus der Umgebung zeigt die Fertigung von Lederwaren.
Castello di Vicarello
Via Vicarello, 1, Poggi del Sasso GR 58044, Italien
Tel.: +39 0564 990718
Web: castellodivicarello.com
Preis: Auf Anfrage
Tulum Treehouse
©Tulum Treehouse
Eingebettet in den Urwald und unweit des Karibischen Meers befindet sich das Refugium mit fünf Schlafzimmern in minimalistischem Design. Kunstsinnige und Kreative finden sich hier ein, um gemeinsam zu musizieren, nach traditionellen Methoden zu kochen und sich wieder mit sich selbst zu verbinden.
Tulum Treehouse
Km 7.3, Carr. Tulum-Boca Paila, 77760 Tulum, Q.R., Mexiko
Tel.: +52 984 249 9586
Web: slowness.com
Preis: DZ ab € 317,–
Dieser Artikel erschien in der Falstaff TRAVEL Ausgabe Sommer 2022.