Wolfgang Puck: Der Koch der Stars
Vor mehr als 50 Jahren zog ein Kärntner Bub von Sankt Veit an der Glan aus, um die Kulinarikwelt zu erobern – heute herrscht Wolfgang Puck über ein Restaurantimperium mit 5000 Beschäftigten und sein Name prangt auf Tiefkühlpizzen und Dosensuppen ebenso wie auf Kochgeschirr und Formel-1-Boliden.
8. September 2023
Im „Spago“ in Beverly Hills kann man Wolfgang Puck genau auf die Finger schauen. © Maggie Shannon
Frühstück im Palais Coburg in Wien. Wolfgang Puck bestellt schwarzen Kaffee, sonst nichts. Seine Schwester Christine ist angereist, um ihren Bruder zu treffen. Von früher wird nicht viel geplaudert: „I schau nid viel zurück“, sagt er in amerikanisch gefärbtem Kärntnerisch, „für mi is, was is heit und in Zukunft!“
In der Oscar-Nacht dirigiert Wolfgang Puck eine Küchenmannschaft von mehr als 150 Personen. © beigestellt
Wolfgang Puck ist ein paar Tage lang auf „Österreich-Tournee“, kontrolliert gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Klaus sein Lokal am Wiener Flughafen, hält Vorträge, lässt sich für sein Lebenswerk ehren, besucht seinen Sohn Byron, der gerade im „Steirereck“ jobbt, trifft seinen alten Spezi Mike Köberl, mit dem er viele Oscar-Nächte durchgekocht hat, verkostet mit ihm die besten Weingüter und Restaurants des Landes. Alles in nur vier Tagen, immer hellwach und aufmerksam. „Wenn einer zwölf Stunden am Tag arbeitet, ist das nur der halbe Tag“, sagt er nicht nur – er lebt es auch.
Pizza mit Räucherlachs und Kaviar ist Pucks wohl bekanntestes Gericht. © beigestellt
Puck zieht sein Handy aus der Hosentasche: „Schau, das bauen wir jetzt; Frank Gehry, Gelila und ich.“ Das Foto zeigt das Modell eines zweistöckigen Schiffsrumpfs, Pucks neuestes Projekt: ein lang gezogenes Restaurant auf dem schmalen Küstenstreifen zwischen Pacific Coast Highway und dem Meer in Malibu, mutig designt vom mittlerweile 94-jährigen Stararchitekten Gehry. Schon als Modell ist es eine Sehenswürdigkeit, Ende 2025 soll es fertig sein. Die Baukosten sollen 100 Millionen Dollar möglichst nicht übersteigen. „Wir haben einen Pachtvertrag für 50 Jahre, mit Option auf Verlängerung um 25 Jahre – I bin ja erst am Anfang meiner Karriere!“, lacht Puck.
Bei Puck speisen – das kann man etwa hier im „Cut“ in London, in L. A., in Tokio, Singapur, Budapest oder neuerdings sogar in Riad. © Niall Clutton
Auch der Weg, den der kleine Wolfgang einst genommen hat, steckt voller Superlativen. Die Mutter war Köchin, ihre einfache, schmackhafte Suppe aus frischem Gemüse und Gartenkräutern ist ihm bis heute in Erinnerung. Daher sind auch seine Zutaten seit fast 40 Jahren „pure organic“ – lange bevor die Bio-Welle losrollte. „Der Stiefvater hat immer g’sagt: ‚Du bist guat für nix!‘“, erinnert sich Puck an die weniger schönen Seiten seiner Kindheit. Als Jugendlicher kocht er im „Maxim’s“ in Paris und im „Hotel de Paris“ in Monte-Carlo. Dort verliebt er sich in die Formel 1: „Da Niki Lauda und i waren amal tanzen mit zwei Frauen. Die fragen mich, ob i a Rennfahrer bin. ‚Na, Koch!‘, sag i. Und schon haben sie mich stehen lassen“, erzählt Puck. Heute kann er darüber – vor Kurzem hat er eine Catering-Partnerschaft mit Aston Martin abgeschlossen. Dafür fährt Fernando Alonso jetzt mit Pucks Namen im Kreis.
Wolfgang Puck und Julia Roberts. © ABImages, 2014
Über Indianapolis führt ihn seine Karriere weiter nach Los Angeles, ins „Ma Maison“, in den 70er-Jahren Treffpunkt der Schönen, Berühmten und Reichen. „Love Story“-Star Ali MacGraw schaut sich die Küche an: „I hab ka Wort aussibracht, so nervös war i!“, so Puck. Als einer der Ersten zelebriert er die sogenannte „California Cuisine“ – frische, saisonale Zutaten werden zu Gerichten aus unterschiedlichen Kochkulturen kombiniert. Die Gourmetkritiker rasten vor Begeisterung aus, das Restaurant ist für Monate ausgebucht. „Was hamma g’macht? Wir haben die Telephone Number unlistet! Alle, die wirklich bei uns essen wollten, haben uns auch so g’funden“, lächelt Puck – fast wie der gleichnamige Kobold bei Shakespeare.
Das "Spago" in Budapest. © George Fakaros
Anfang der 80er-Jahre folgt das erste eigene Lokal: das „Spago“ am Sunset Drive. Der Name stammt von einem geplanten Giorgio-Moroder-Musical; Moroder ist am neuen Lokal beteiligt. Das alte Hollywood geht dort ein und aus, etwa Billy Wilder, Gene Kelly, Sidney Poitier (übrigens der Pate von zwei Puck-Söhnen). Eines Abends kommt Joan Collins zu später Stunde auf einen Happen. „Wir haben nix mehr g’habt, also bin ich in die Küche, hab an Germteig g’funden, a bissl Kaviar, Cream, Schnittlauch und Smoked Salmon, und hab ihr rasch a Pizza g’macht, unten knusprig, oben kalt“, erinnert sich Puck an die Entstehung seines wohl bekanntesten Gerichts. Lange suchte man es vergeblich auf seinen Speisekarten und Rechnungen – er servierte es gratis, als Happen zwischendurch.
Spicy-Tuna-Tatar in Sesam- Miso-Cones: eines von Pucks zahlreichen Signature Dishes. © jamesbedford.com
Wenn Auguste Escoffier einst die Küche aus dem Keller in die Beletage und Paul Bocuse die Köche aus der Küche auf die Bühne geholt hat, dann hat Wolfgang Puck vor 50 Jahren den nächsten Schritt gesetzt und die Gäste in die Küche gebracht. Die Show Kitchen war geboren: Offenes Feuer mitten im Lokal, bei der Zubereitung zusehen können wie im Fernsehen – nur bekommt man die Speisen dann auch wirklich gleich serviert. Leicht adaptiert funktioniert dieses Prinzip heute in mehr als 100 Puck-Restaurants auf der ganzen Welt. Dafür muss er viel reisen: „Für an kurzen Flug reicht mir Economy, bei langen ist für mich okay, solang Business. Für First Class bin i always late beim Buchen – I like to be flexible.“ So ähnlich hält Puck es auch mit seinen Lieblingsspeisen: „Was grad da is, gute Zutaten, einfach zubereitet – und immer a Schokolad im Freezer!“
Next Generation: Byron Puck arbeitet gerade im Wiener "Steirereck". © Mauritius Images
Auf dem Weg zum Auto wird er noch um ein Autogramm gebeten. Puck nimmt sich auch dafür Zeit, schreibt „Always spend more time in the bedroom than in the kitchen!“ vor seiner Unterschrift. Dann noch ein Selfie. Ob das auf Dauer nicht nervt? „Jeder Prominente, der sagt, er will nid erkannt werden, der soll daham bleiben!“ Sagt’s – und ist dahin.
Dieser Artikel erschien in der Falstaff TRAVEL Ausgabe Sommer 2023.