Warum jeder von Detox und Biohacking profitieren kann
Den eigenen Körper umzuprogrammieren und zu optimieren liegt ganz klar im Trend. Wichtig ist dabei aber, ungesunden von positivem Stress zu unterscheiden.
11. November 2022
Genetisches Maximum
Hacks nennt man im IT-Bereich Interventionen, die Auswirkungen auf das gesamte System haben. Betrachtet man den menschlichen Körper als Maschine, die man optimieren kann, dann spricht man von Biohacking. Das klingt sehr technisch, aber im Grunde erfahren beim Biohacking alte Techniken wie Fasten, Kneippen oder Meditieren ein zeitgemäßes Update. Regelmäßiges kaltes Duschen oder Eisbaden etwa hilft, Stress abzubauen und fit in den Tag zu starten.
Wer ganz hart im Nehmen ist, regt seinen Kreislauf beim Eisbaden in der Natur an. © Shutterstock
Die niedrige Temperatur des Wassers stimuliert das Hormon Noradrenalin, das eine ähnliche Wirkungsweise wie das verwandte Adrenalin hat. Außerdem wirkt die Kälte entzündungshemmend und der Körper beginnt damit, Wärme zu produzieren; der Stoffwechsel beschleunigt sich. Die Wissenschaft erforscht gerade verstärkt, wie braunes Fett entsteht, das von Biohackern so gehypt wird. Mitochondrien gelten als die Kraftwerke des Körpers, die aktiviert werden wollen – dafür muss man aber seine Komfortzone verlassen.
Mehr dazu: Trend Watch Biohacking
Zeitgemäßes Detoxen ist kein Verzicht mehr, sondern eine Reise zum Wesentlichen. © Aman
Der Erfinder des Begriffs ist der amerikanische Lifestyle-Guru Dave Asprey. Er hat sich das Ziel gesetzt, mindestens 180 Jahre alt zu werden. Um das zu erreichen, injiziert er seine eigenen Stammzellen, verbringt Zeit in einer Sauerstoffdruckkammer und nimmt täglich rund 100 Nahrungsergänzungsmittel zu sich. Sein ganzes Leben dreht sich um Biohacking-Tricks. Aspreys radikales, 2005 entwickeltes Anti-Aging-Konzept, um „Super Human“ zu werden, ist freilich bloß eine zugespitzte Variante eines Lebensstils, der längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.
Auch Hollywoodstar und Wellness-Guru Gwyneth Paltrow schwört auf Detox-Säfte mit Sellerie. © Shutterstock
Biohacking ist durchaus alltagstauglich, wenn es darum geht, Schwachstellen in Körper und Geist zu finden und auszumerzen, um das „genetische Maximum“ aus den eigenen Genen herauszuholen. Dazu gehören banale Dinge wie ein ungestörter Schlafplatz, der eine handyfreie Zone sein soll, oder regionale, saisonale, hochwertige Lebensmittel, frisches Gemüse und Nüsse, wenig Kohlenhydrate in der Ernährung. Auch Intervallfasten soll den Zellen helfen, sich zu regenerieren: Die Fettverbrennung wird dadurch angekurbelt, der Insulinspiegel sinkt, die Hormone kommen wieder in Balance. Biohacker schwören darauf, dass dieser Prozess lebensverlängernd und verjüngend wirkt – und jede Menge Energie freisetzt.
Eine Entspannte Atmosphäre und strukturierte Tagesabläufe helfen dabei, zur Ruhe zu kommen. © beigestellt
Positiver Stress
Fasten oder Detox, je nachdem, wie man es nennen möchte, ist gesunder Stress für den Körper. Das Zauberwort lautet Autophagie, das ist die Selbstreinigung der Zellen. Den Begriff hat der japanische Molekularbiologe Yoshinori Ohsumi geprägt, der 2016 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Wörtlich übersetzt bedeutet Autophagie, dass der Körper sich selbst isst; konkret geht es darum, dass Zellbestandteile, die nicht mehr funktionieren, wieder recycelt werden. Dadurch bleiben so wenig wie möglich kranke und beschädigte Zellen im Körper.
Die Autophagie setzt dann ein, wenn man mindestens zwölf Stunden am Stück nichts isst. Um den Prozess in Gang zu setzen, ist ein konstant niedriger Insulinspiegel nötig, dann greift der Körper nämlich auf seine eigenen Reserven zurück. Vollständig abgeschlossen ist die Autophagie Wissenschaftlern zufolge allerdings erst nach rund 72 Stunden – weswegen eine strenge Fastenwoche noch besser ist als kurzes Intervallfasten.
Genussvoll gesund bleiben: Kur bedeutet hier natürlich nicht Nulldiät – der Genuss kommt nicht zu kurz. © beigestellt
Modernes Fasten
Früher hat man von Entschlackungs- oder Entgiftungskuren gesprochen, was missverständlich ist, weil es in einem gesunden Darm gar keine Schlacken gibt. Dieser Mythos hat sich überholt. Sehr wohl aber ist durch die Erforschung der Autophagie klar geworden, was im Körper an Recycling auf Zellebene passiert, und wie wichtig das ist, um dem Alterungsprozess entgegenzuwirken.
Detox findet nicht nur von innen statt – die Haut kann auch von außen zum Entgiften angeregt werden. © beigestellt
Fasten hat eine lange Tradition, die in religiösen Ideen begründet liegt. In fast allen Weltreligionen finden sich streng geregelte Askesezeiten: Im alten Ägypten und bei den Griechen etwa sollten durch das Fasten die Sinne geschärft werden. Heilfasten, wie wir es kennen, wird seit den 1920ern praktiziert – der deutsche Arzt Otto Buchinger veröffentlichte 1935 ein Buch über das Heilfasten und beschrieb die Selbstheilungskräfte anhand eigener Erfahrungen. Berühmt ist auch die F.-X.-Mayr-Kur zur Sanierung des Darms, benannt nach ihrem Erfinder Franz Xaver Mayr (1875–1965). Im Rahmen des weltweiten Detox-Revivals wurde die traditionsreiche F.-X.-Mayr-Kur einem zeitgemäßen Upgrade unterzogen. Hotels wie „Vivamayr“ bieten ein ganzheitliches Konzept an, das auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten ist. Persönliche Gesundheitsziele sollen definieren, was man erreichen will. Körper und Geist sollen sich regenerieren; Fasten wird als ganzheitliche Erfahrung begriffen.
Auf den Peloponnes können Gäste im Amanzoe in luxuriösem Rahmen entschlacken. © Aman
Auch das Kärntner „Biohotel Daberer“ stellt Basenfasten-Pakete zusammen und bietet Slow Food aus der Region, begleitet von sanfter Bewegung. Trockene Semmeln waren gestern: Die Teller im „Daberer“ sehen aus wie im Sternerestaurant, jede Mahlzeit ist ein Erlebnis, das man mit allen Sinnen genießt. Zeitgemäßes Detoxen hat wenig mit hartem Verzicht gemeinsam, eher ist es eine Reise zurück zum Wesentlichen – um danach bewusster, langsamer und lustvoller zu essen und das Leben neu wahrzunehmen.
Dieser Artikel erschien in der Falstaff TRAVEL Ausgabe Herbst 2022.