Sunnmøre-Alpen: On Tour in Norwegen
Gipfeltouren mit Fjordpanorama: Durch ihre Nähe zum Nordmeer zählen die Sunnmøre-Alpen zu den schneereichsten Regionen Norwegens. Die majestätischen Berge bieten im Winter ideale Bedingungen für außergewöhnliche Tiefschneeabenteuer, ganz ohne Massentourismus.
22. Februar 2024
© Jenny Zarins
Skitourengehen ist eine der schönsten und ursprünglichsten Arten, eine Landschaft zu erkunden. Kein mühsames Anstellen am überfüllten Lift, stattdessen im eigenen Tempo auf den Berg wandern. Der anstrengende Aufstieg wird mit einer Talfahrt belohnt, die man sich echt verdient hat. Aber selbst erfahrenen Tourengehern bleibt in Norwegen die Luft weg: Was für eine faszinierende Landschaft! Eine Welt aus Weiß, ganz unten leuchtet majestätisch ein gigantischer Fjord, der über Jahrtausende durch Gletscherkräfte entstanden ist. Dazu ein strahlend blauer Himmel, schroffe Felsen, jede Menge Pulverschnee – und eine ungeahnte Ruhe.
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Schneesicherheit? Kein Problem! Die Sunnmøre-Alpen (auf Norwegisch: Sunnmørsalpene), südlich der Stadt Ålesund gelegen, gelten als Winter Wonderland. Durch ihre Nähe zum Nordmeer und dessen feuchter Atlantikluft zählen sie zu den schneereichsten Regionen in Norwegen. Bis zu 1700 Meter ragen die Gipfel in die Höhe, die gewaltigen Bergflanken erstrecken sich bis zum Fjord hinab. Wenn es die Bedingungen zulassen, kann man bis ans Meer abfahren. Stundenlang ist man unterwegs, um perfekte Bedingungen für Tiefschneeabenteuer zu nutzen – am besten mit einem einheimischen Skilehrer, der die schönsten Ecken kennt. Die Sunnmøre-Alpen sind ein riesiges Skigebiet, das keinen touristischen Ausverkauf betrieben hat. Keine Großparkplätze, kein Après-Ski, keine Warteschlangen am Lift. Wer hierherkommt, möchte die Weite der unberührten Landschaft genießen, und die unglaubliche Stille.
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Auch die Hotels sind klein und fein. Von den stylishen Glasquadern im Baumhausstil im „Juvet Landscape“, die mehrmals für Filmdrehs genutzt wurden, bis zum urigen „Hotel Union Øye“, einem Grandhotel im viktorianischen Stil, das in jedem Zimmer Geschichte atmet. Der berühmte norwegische Dramatiker Henrik Ibsen war hier gern zu Gast – ein wenig fühlt man sich mit den Blumentapeten an der Wand und dem Klavier im Salon auch wie in einem stimmungsvollen Bühnenbild. In eine Zeit, als Königsfamilien und Autoren wie Arthur Conan Doyle und Karen Blixen oder der Komponist Edvard Grieg in diesem Kleinod stilgerecht abstiegen und mit Blick auf die schneeverhangenen Berge Champagner tranken.
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Archaische Landschaft
Hygge ist hier kein hohler Marketingbegriff. Nach einem Tag voller Frischluft fühlt man sich am Kamin in traditionellen Hotels oder vor den riesigen Fenstern im „Juvet“ tatsächlich wie in einer Wikingersaga. Die archaische Landschaft lässt Gäste ruhig und andächtig werden, es ist magisch in diesem Märchenland am Ende der Welt. Kein Wunder, dass alte Erzählungen von Trollen hier nach wie vor lebendig sind. Luxus und urige Gemütlichkeit sind aber kein Widerspruch – in Norwegen findet man Hideaways, die beides unangestrengt verbinden. Auf den Tellern landen frische Produkte aus der Region, auch in der Küche findet man eine raffinierte Mischung aus Bodenständigkeit und Fine Dining. Und mit ein bisschen Glück flackern in der Nacht Nordlichter am Himmel. Die Sunnmøre-Alpen sind auch deshalb ideal für Nordlichtersichtungen, weil es hier wenig Lichtverschmutzung gibt.
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Hotels wie das „Øye“, das „Storfjord“ oder das „Sagafjord“ sind auf Skitouren spezialisiert – hier bekommt man gute Tipps, wann die Verhältnisse ideal sind und wann man besser eine Pause einlegt. Wer dennoch nicht auf Lifte verzichten möchte, ist im „Stranda Ski Resort“ gut aufgehoben, wo sechs Lifte für bequemes Skivergnügen mit Fjordblick sorgen. Die gesamte Region ist vielfältig: Von einfachen bis zu mittelschweren Skitouren ist alles möglich. Die Abfahrten haben meist eine Neigung zwischen 30 und 35 Grad und sind damit perfektes Skitourenterrain. Extrem-Skifahrer kommen ebenso auf ihre Kosten wie Familien, die ein entspanntes Wochenende auf dem Snowboard, beim Rodeln oder beim Schneewandern erleben möchten.
Mit 1500 Kilometern an markierten Pisten und einem Weltklasse-Off-Piste-System gibt es auch lange Abfahrten. Die stabilste Schneelage und viel Tageslicht hat man im März und April; die lange Saison reicht allerdings bis Anfang Juni. Der Februar hat den meisten Schnee, aber auch mehr Dunkelheit. Die Tage sind dann kurz, aber dafür ist es in den Unterkünften besonders kuschelig und man kommt gut zur Ruhe.
Faszinierende Wunder der Eiszeit
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Nirgends sonst liegen Fjorde, Meer, Berge und Gletscher so dicht beieinander wie in den Sunnmøre-Alpen. Die Fjorde entstanden durch Gletschern – diese schnitten tiefe Rinnen in die Küstenregionen, die sich durch das Ansteigen des Meeresspiegels mit Wasser füllten. Norwegen verfügt über 1700 dieser Eiszeit-Zeugen, wobei der Hjørundfjord für viele einer der schönsten Fjorde Norwegens ist. 35 Kilometer ist er lang, umgeben von steilen Bergen, Wasserfällen und idyllischen Dörfern wie Volda, Ørsta, Stranda und Sykkylven. Er zog Abenteurer und Adelige gleichermaßen an, wie die historischen Hotels noch heute beweisen. In die Berge wurden einst Trolle gemeißelt, die lange im Volksglauben verankert blieben. Die Fabelwesen wurden als groß und unheimlich beschrieben und waren laut Überlieferung nur nachts unterwegs. Sie waren zwar dumm, lockten aber Menschen ins Verderben. Je länger man auf die Berge blickt, desto besser versteht man diese Geschichten – viele Steinformationen wirken tatsächlich wie Gesichter und Figuren.
Jugendstil-Innenstadt
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Falls das Wetter im Winter nicht ideal ist, gibt es jede Menge Alternativprogramm. Wer Abenteuer jenseits der Pisten sucht, fährt nach Hoddevik zum Kaltwassersurfen; wer hingegen Lust auf einen gemütlichen Städtetrip hat, der besucht Ålesund, ein Architekturjuwel am Eingang zum Geirangerfjord, der aus mehreren Inseln besteht. 1904 brannte die Stadt komplett ab, rund 850 Holzhäuser wurden durch eine umgefallene Lampe in einer Margarinefabrik vernichtet. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. war ein Fan der Region, mit seiner Yacht besuchte er gern die malerischen Fjorde und wurde damit zum Tourismusmotor. Er half auch beim Wiederaufbau – statt auf Holz setzte man auf Stein, deshalb punktet Ålesund noch heute mit seiner Jugendstil-Innenstadt. Am besten lässt sich Ålesund mit einem gemieteten Kajak erkunden, oder man erklimmt die 418 Stufen zum Hausberg Aksla. Die Anstrengung lohnt sich: Der Ausblick ist atemberaubend, und auch die umliegenden Restaurants sind fein, um den Abend ausklingen zu lassen.
Ab April werden zudem Vogelbeobachtungstouren angeboten. Mehr als 500.000 Vögel kommen zum Nisten auf die Inselwelt, darunter auch der Papageientaucher mit seinem markanten roten Schnabel. Aber auch im Winter gibt es Seeadler, die dem harten Wetter der Sunnmøre-Alpen trotzen und nicht Richtung Süden ziehen – selbst die Tiere wissen, wie besonders und schön diese Region in Südnorwegen ist.
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Dieser Artikel erschien in der Falstaff TRAVEL Ausgabe Winter 2023/24.