Lost Luggage: Das passiert mit dem verlorenen Koffer
Zum ersten, zum zweiten, verkauft: Koffer, die während einer Flugreise verloren gehen, landen nicht am Gepäckband – sondern unter dem Hammer.
18. Oktober 2022
Endlich! Die Zeit über den Wolken ist vorbei, man ist gut und gesund gelandet. Das einzige, was uns vom Urlaub noch trennt, sind Passkontrolle und das abzuholende Gepäck. Also stellt man sich vors Band. Wartet. Und wartet weiter. Und realisiert: Der Koffer kommt nicht.
Nervenkitzel am Flughafen: Ist der Koffer auch gut angekommen? © Arina P Habich
Verlorenes Gepäck zählt wohl zu den schlimmsten Situationen für Flugreisende. Vor allem bei internationalen Flügen ist die Wahrscheinlichkeit fast fünfmal höher, dass der Koffer nicht nur zu spät ankommt, sondern für immer im Nirgendwo verschwindet. Einer Studie des Luftfahrttechnologieunternehmens SITA zufolge hatten im Jahr 2021 rund 4,5 von 1.000 Passagieren Probleme mit ihrem Gepäck. Während dieses in 70 % der Fällen einfach zu spät ankam, gingen 6 % des Aufgabegepäcks permanent verloren. Aufgrund des immensen Personalmangels werden die Zahlen für 2022 wohl noch höher ausfallen.
Wohl eine der schlimmsten Situationen: Man wartet am Gepäckband – und der Koffer kommt nicht. © Chris Hardy
Was geschieht mit verlorenem Gepäck?
Dass verlorene Koffer sich nicht in Luft auflösen, ist klar. Die Frage ist also: Wo landet das Gepäck, das seine Eigentümer auch nach Wochen nicht erreicht? Laut Gesetz gehen Fundsachen sowie nicht-beanspruchte Taschen und Koffer nach drei Monaten in den Besitz des Flughafens über. In diesem Zeitraum versuchen Fluggesellschaft und Flughafen, den Eigentümer ausfindig zu machen oder warten darauf, dass dieser selbst auftaucht und sein Gepäckstück abholt*. Und danach? Kommen die Koffer unter den metaphorischen Hammer.
*Letzte Chance: Zahlreiche Flughäfen haben den Reisenden den direkten Zugang in die Gepäckshallen gewährt. Gegen Vorlage eines Ausweises und des Gepäckabschnitts kann hier nach dem eigenen Koffer gesucht werden. Mit etwas Glück findet man diesen, bevor er in den Besitz des Flughafens übergeht.
Mehr dazu: „Ich packe meinen Koffer“: 5 Dinge, die man im Herbst unbedingt einpacken sollte
Wer die Berichterstattung über das Chaos auf den Flughäfen im Sommer 2022 verfolgt hat, weiß: Viele Koffer landen auf Stapeln in riesigen Hallen, wo sie darauf warten, geordnet zu werden. © Shutterstock
Zum ersten, zum zweiten: verkauft!
Richtig gelesen: Gepäck, das in den Besitz des Flughafens übergeht, sowie diverse Fundsachen aus dem Flughafengelände werden versteigert. Natürlich erst, nachdem sichergestellt wurde, dass sich darin keine gefährlichen Inhalte wie Waffen oder Medikamente befinden. Der Zoll filtert die Koffer zudem auf Drogen, Bargeld oder Lebensmittel.
Abgewickelt werden die Versteigerungen von privaten Auktionshäusern. Etwa Karner & Dechow, die die Lost-Luggage am Flughafen Wien weitervermitteln. Fündig wird man auch bei kofferauktion24.de: Die Plattform agiert im Auftrag der Lufthansa.
Blindes Glück?
Das Spannende an den Auktionen: Diese finden blind statt. Das bedeutet, dass man während der Versteigerung nicht weiß, was genau sich im Koffer, für den man gerade bietet, befindet. Ob sich im „Überraschungspaket“ eine Louis Vuitton Tasche oder muffige Wanderkleidung befindet, weiß man also erst nach dem Kauf.
Verloren gegangene Koffer gehen in den Besitz der Flughäfen über und werden danach meist von einem privaten Auktionshaus versteigert. © LightField Studios
USA: Ein Shop für Verlorenes
Besonders kurios wird es in den USA, genauer: in Scottsboro, Alabama. Hier vertreibt der Unclaimed Baggage Shop seit 1970 verloren gegangene Koffer und Fundstücke der Flughäfen. Neben Wasserflaschen, elektronischen Geräten, Kleidungsstücken und weiteren üblichen Kofferinhalten gibt es hier auch Bizarres zu entdecken. Darunter eine lebensgroße Naseweis-Figur aus Peter Pan, Filmkostüme oder Kunst, wie Basquiat-Faksimile.
Des einen Leid, des andern Freud
Viele Flughäfen, etwa Wien-Schwechat oder Stuttgart, veranstalten selbst Auktionen für den guten Zweck. Der Gewinn aus den Versteigerungen kommt sozialen Projekten oder Vereinen zugute. Auch der Unclaimed Baggage Shop spendet einen Teil seines Erlöses. So bringt der Verlust des Gepäcks zumindest für ein paar Menschen etwas Gutes mit sich.
Koffer verloren: Was tun?
Gepäck weg? Wer seine Koffer nicht mehr wiedersieht, hat Anspruch auf Entschädigung von der Fluggesellschaft. © American Green Travel
- Bei verlorenem oder beschädigtem Gepäck sollte man direkt am Flughafen tätig werden: Am Gepäcksdienstschalter füllt man ein sogenanntes PIR-Formular, kurz für Property Irregularity Report, aus.
- Anschließend muss direkt bei der Fluglinie eine schriftliche Anzeige auf Schadensersatz gestellt werden. Wer mit mehr als einer Linie unterwegs war, schickt diesen zur Sicherheit an alle. In Österreich, Deutschland und der Schweiz liegt die Meldefrist für verspätetes oder verlorenes Gepäck bei 21 Tagen ab der letzten Übergabe des Koffers an die Fluglinie. Beschädigungen müssen innerhalb von sieben Tagen geltend gemacht werden.
- Zu guter Letzt ist eines wichtig: alle Belege aufbewahren!
Wie viel Entschädigung steht mir zu?
Der Schadensanspruch für beschädigtes und verlorenes Gepäck liegt bei 1.131 Sonderziehungsrechten (SZR). Das sind bis zu € 1.600 in Deutschland und Österreich sowie rund CHF 1.500.