Mallorca – ein Meer an Geschmack
Auf der Lieblingsinsel europäischer Sonnensucher entsteht eine neue Küche. Sie vereint balearischen Lebensstil, innovative Ideen und das Beste an einheimischen Produkten. Der beste Zeitpunkt, sie zu kosten? Jetzt!
19. August 2024
Das Hotel „Belmond La Residencia“ entstand aus zwei historischen Gebäuden im Dorf Deià. Seit 40 Jahren gilt es als erstklassige Adresse. © beigestellt
Paella, Sangria und Schinken – so in etwa hätten viele Reisende noch vor wenigen Jahren die kulinarischen Highlights in Mallorca zusammengefasst. Fragt man Andreu Genestra, derzeit einer der innovativsten einheimischen Köche, fällt die Antwort anders aus: Reis, Schweinefleisch und Tap de Cortí, ein süßes Paprikapulver. Die lokalen Zutaten stehen für eine Wandlung, welche die Grand Dame unter den Baleareninseln durchgemacht hat. Eine Entwicklung weg vom Massentourismus, der an vielen Orten seine Spuren hinterlassen hat, und hin zu einer luxuriösen Einfachheit, die sich auf die ursprünglichen Vorzüge der Insel besinnt. Und die sind vielfältig.
Weißer Sand und steile Klippen umrahmen die Badebucht Cala Llombards im Südosten Mallorcas. © Alamy Stock Photo
Da ist das azurfarbene Wasser der Cala Formentor hoch im Norden, dessen Glitzern einen in Trance versetzen kann. Oder die karstige Schönheit des Tramuntana-Gebirges im Nordwesten, Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Der Charme der von Olivenbäumen umstandenen Backsteinhäuser im Hinterland – und natürlich die Hauptstadt Palma, in deren Altstadtgassen Historie und Hipstertum aufeinandertreffen. Im Lauf der Geschichte wurde Mallorca wegen seiner Vorzüge immer wieder belagert und erobert: von Karthagern, Römern, Vandalen und Mauren – und in neuerer Zeit von zahllosen Touristen. Wer konnte, blieb, Mallorca wurde zur sonnigen Enklave für Nordeuropäer.
Die neue Generation
Das Restaurant „Neni“ auf dem Dach des „Bikini Island & Mountain Hotel“ überblickt Port Sóller. © Steve Herud, Berlin für DREIMETA (interior Design)
Gehobene Gastronomie bedeutete auf der Insel deshalb lange: Chefs aus dem Ausland. Etwa der Brite Marc Fosh oder Deutsche wie Gerhard Schwaiger und der kürzlich in Ruhestand gegangene Josef Sauerschell. In den vergangenen Jahren kamen jedoch neue Namen hinzu: Fernando P. Arellano, Santi Taura, Maca de Castro, Marga Coll, Andreu Genestra. Und nicht zu vergessen: die Schwestern María und Teresa Solivellas. 2001 übernahmen diese von ihrer Mutter Catalina das Restaurant „Ca Na Toneta“. Fortan servierten sie dort ein mehrgängiges Menü, das ausnahmslos aus Produkten von der Insel besteht. Ihre radikal lokale Küche machte aus dem Dorfrestaurant einen der Gastro-Hotspots in Mallorca. Sie ebnete aber auch den Weg für die spannende kulinarische Szene, die heute auf der Insel zu finden ist.
Restaurants, Bars, aber auch Produzenten erforschen, was die traditionelle Küche der Balearen zu bieten hat; ihren Ursprung in der bäuerlichen Kultur, die Lage zwischen Mittelmeer und Bergen, die Vielfalt ihrer landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Das ergibt ein reiches Rezeptbuch – in dieser mallorquinischen Küche steckt aber auch viel Arbeit, die man nicht sieht. Das reicht von der Null-Kilometer-Philosophie über eigene Bienenstöcke und Kreislaufwirtschaft bis hin zu erneuerbaren Energien. Und viele geduldige Gespräche, die es braucht, um eine innovative Idee umzusetzen. Mit ihren Ramallet-Tomaten, dem schwarzen Schweinefleisch oder dem bislang als Beifang gelabelten Fisch mag diese neue Mittelmeerküche einfach wirken. Sie zu probieren fühlt sich jedoch an wie ein Aufatmen, ein Ankommen.
Palmen im „Belmond La Residencia“. ©www.aquilamattia.it
Die Hotels haben eine Weile gebraucht, um sich dieser Entwicklung und ihren Vertretern zu öffnen. Warum Fisch in Escabeche, einer säuerlichen Marinade aus lokalem Gemüse, servieren, wenn die Gäste Ceviche lieben? Doch im gehobenen Tourismus gewinnen jene Destinationen, die auch kulinarisch interessant sind. Deswegen tischt der auf Mallorca geborene Santi Taura nun im „DINS“, dem Gourmetrestaurant des Hotels „El Llorenç“ in Palma, Gerichte auf, die sich zwischen Nostalgie und Dekonstruktion bewegen.
Die Oliven, die Starkoch Ramón Freixa im „The Lodge“ serviert, stammen aus dem Hotelgarten. © beigestellt
Im Luxushotel „Castell Son Claret“ leitet Jordi Cantó das renommierte Restaurant „Sa Clastra“, und Andreu Genestra eröffnete sein neues Restaurant im „Hotel Zoëtry“ in Llucmajor. Wie weit der Trend reicht, zeigt die Bar-Szene: Im „Chapeau 1987“ von Matías Iriarte gibt es ausschließlich Drinks, die für einen Aspekt der Insel stehen, für Berge, Wald oder Meer. Und dank der Bar „La Sang“ in der Altstadt von Palma gibt es seit 2019 auch einen Ort, um ungefilterte und ökologisch angebaute mallorquinische Weine zu probieren. Sie gilt als eine der zehn Top-Naturweinbars Spaniens.
Einmal mehr ist Mallorca im Wandel begriffen: Neue Gesetze sollen den Tourismus in verträglichere Bahnen leiten. Mehr Einfluss darauf, wer in Zukunft nach Mallorca kommt, haben aber wohl die neu eröffnenden Hotels. Häuser wie das „Son Bunyola“ von Virgin-Chef Richard Branson, das „Son Net“ in einem Anwesen aus dem 17. Jahrhundert oder das von zwei Kunstschaffenden geführte „Hotel Corazón“, eine Finca ohne Fernseher. Ihr unaufdringlicher und nachhaltiger Luxus passt gut zur Ursprünglichkeit, die auf der Insel noch immer zu finden ist – und er lockt all jene an, die bereit sind, sich ganz auf Mallorca einzulassen.
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Dieser Artikel erschien in der Falstaff TRAVEL Ausgabe Sommer 2024.