Die Antarktis verbindet Abenteuer mit Luxus und Komfort
Unendliche Weiten und ein überirdisch klares Licht: In der Antarktis fühlt man sich wie auf einem fremden Planeten. Die Luxuslodges von White Desert wirken passenderweise wie aus einem Sci-Fi-Film.
15. Januar 2023
Abenteuer Antarktis
Selbst Menschen, die sich nicht sonderlich für Abenteuergeschichten interessieren, kennen vielleicht diese historische Aufnahme: Ein Segelschiff ist in einer unwirtlichen Landschaft gestrandet, dramatisch wird es von Packeis in die Höhe gehoben und zerquetscht. Die berühmte Endurance-Polarexpedition von 1914 bis 1917 ist eine Legende – nicht etwa, weil der Brite Ernest Shackleton wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse mit nach Hause gebracht hätte, sondern weil er alle Expeditionsteilnehmer vor dem vermeintlichen Tod bewahren konnte.
Dieses Abenteuer inspirierte ein junges Paar dazu, 2004 selbst die Antarktis zu durchqueren und später das erste touristische Camp auf dem eisigen Kontinent zu errichten. Die luxuriösen Kapseln des White-Desert-Projekts erinnern an Unterkünfte auf dem Mond, es herrscht Astronauten-Atmosphäre. Das futuristische Design passt nicht nur perfekt zur surrealen Landschaft, die Camps sind auch so entlegen, dass tatsächlich die Internationale Raumstation (ISS), die rund 400 Kilometer entfernt im All schwebt, der nächste „menschliche Nachbar“ ist.
"Echo" ist das jüngste White Desert Camp. © Kelvin Trautman
Aber zurück an den Anfang des 20. Jahrhunderts. Shackletons eigentliches Ziel war es, erstmals den antarktischen Kontinent zu durchqueren. Zwei Teams sollten von gegenüberliegenden Seiten aufbrechen, sich in der Mitte treffen und unterstützen. Blickt man zurück in diese frühe Phase der Antarktisforschung, dann stellt sich noch heute maßloses Staunen ein: Wie konnte man mit dieser simplen Ausrüstung überleben? Was für ein Wahnsinn, ohne Satellitentelefon oder andere Verbindung zur Außenwelt in diese extreme Gegend aufzubrechen! Für die meisten von uns bleibt diese Faszination abstrakt, Robyn Woodhead aber ist Abenteurerin durch und durch: Sie und ihren Ehemann Patrick Woodhead hat die Geschichte von Shackleton nicht mehr losgelassen. Aus einem Hirngespinst wurde eine konkrete Idee: Im Jahr 2004 beschlossen die beiden, die Expedition nachzubilden. Robyn Woodhead stieg in ein russisches Frachtflugzeug, ihr Mann machte sich auf der anderen Seite der Antarktis auf den Weg. „Bei meinem ersten Atemzug gefror mir fast die Lunge, während mich das grelle Sonnenlicht beinahe blind gemacht hat“, erinnert sich Robyn Woodhead an ihren ersten Eindruck. „Es war mir sofort klar, dass dieses unendliche Weiß dem Besuch eines anderen Planeten ziemlich nahekommt.“
Die Skypods des Echo-Camps. © White Desert Interiors
Allein im Zelt
Aber auch diese Expedition lief nicht nach Plan – die Abenteurerin war gezwungen, zwei Monate lang allein in einem Zelt auszuharren. Am Anfang habe sie geweint, aber im Nachhinein schwärmt Woodhead von der Magie dieser „Auszeit“: „Jede Reise ist eine Selbstfindung, aber nirgends ist man so sehr auf sich selbst zurückgeworfen wie im ewigen Eis und Schnee.“ Sie habe damals gelernt, wozu man in einer Notsituation fähig ist, wie sehr man sich als Teil der Natur fühlen kann.
Andere schreiben Bücher über Extremerfahrungen, Robyn und Patrick Woodhead beschlossen, auch anderen die unfassbare Schönheit des Kontinents aus Eis erfahrbar zu machen. Es gab keinen Anbieter, der wie die frühen Polarforscher auf dem Eisschild ein Camp errichtetet hätte. Südpolbesucher fahren üblicherweise mit Schiffen zur Antarktischen Halbinsel, aber sie übernachten nicht an Land.
Für die perfekte Kühlung ist in der Antarktis gesorgt. © Marko Prezelj
Und so wurde White Desert zum Sehnsuchtsort für gut betuchte Abenteurer, die Extreme suchen. Diese Reise ist eine Once-in-a-Lifetime-Experience – es gibt nicht viele Orte auf unserem Planeten, die dermaßen geheimnisvoll und magisch sind wie die Antarktis. Das Gästebuch des entlegensten Luxushotels der Welt enthält klingende Namen, darunter den von Prinz Harry.
Eindrucksvolle Landschaft
Maximal 300 Besucher pro Jahr kommen in den Genuss dieser maßgeschneiderten Design-Reise, in einer Saison, die nur von November bis Dezember dauert. Ein Privatjet bringt die Kleingruppen aus Kapstadt, gelandet wird auf einer Bahn aus Eis. Ein Team aus Polarforschern unternimmt mit den Gästen Expeditionen, etwa zu einer Kolonie von Kaiserpinguinen, man geht eisklettern, snowkiten oder macht einen Ausflug zum Südpol. Abends gibt es ein Sechsgang-Menü vom Sternekoch und in der Eisbar oder im Iglu werden Drinks mit Gletschereis serviert.
Die Landschaft umfasst blaue Eistunnel genauso wie zerklüftete Berge. © beigestellt
Mittlerweile gibt es drei unterschiedliche Camps: Whichaway, das erste Luxuslager, liegt an einem zu gefrorenen See, die Landschaft hat etwas Mondartiges – und es gibt eine Sauna mit Glasfront und Blick auf den blauen Eissee. Wolf’s Fang liegt in den Bergen von Queen Maud Land und ist vor allem für Adrenalinjunkies ideal, da man hier eisklettern gehen und extreme Wanderungen machen kann, es gibt aber auch Skidoo-Touren und einfache Routen. Die Landschaft ist überraschend vielfältig: Sie reicht von blau schimmernden Eistunneln bis hin zu bizarren Eisformationen und zerklüfteten Bergen, die sich aus der Eisdecke erheben. Oder man verlässt seine Luxus-Glamping-Unterkunft und übersiedelt für eine Nacht tatsächlich in ein kleines Zelt, um noch mehr Polarforscher-Feeling zu tanken.
Fine Dining im Wichaway Camp. © Marko Prezelj
Futuristische Weltraumfilme
Echo ist das jüngste Camp und erinnert am meisten an futuristische Weltraumfilme: In den Sky Pods fühlt man sich, als wäre man auf den Mars gebeamt worden; riesige Fenster, die vom Boden bis zur Decke reichen, garantieren einen fantastischen Rundumblick. Inspiriert ist die Architektur tatsächlich von der Internationalen Raumstation. Der US-Astronaut Terry Virts war auch schon zu Gast und meinte, die Berge ringsum gehörten zu den schönsten, die er auf der Erde, der Venus und dem Mars je gesehen habe. Klingt nach Werbegag, aber betrachtet man die Fotos, dann glaubt man ihm sofort.
Ist Luxusurlaub mit Reisen in die entlegensten Ecken dieses Planeten, in die nur wenige Menschen jemals einen Fuß gesetzt haben, nicht auch dekadent? Der CO2-Abdruck, den man für sein privates Abenteuer hinlegt, ist beachtlich. Robyn und Patrick Woodhead lieben diese Gegend so sehr, dass sie bereits 2007 CO2-neutral wurden und alle Flüge kompensierten. Mittlerweile haben sie einen nachhaltigen Flugkraftstoff (SAF) eingeführt, damit möglichst wenig schwarzer Ruß auf dem Eis landet. Das Camp wird ohnehin mit Wind- und Solarenergie betrieben, die Umweltauflagen sind streng; jeglicher Müll wird entfernt, es dürfen keine menschlichen Spuren hinter lassen werden.
Der White-Desert-Privatjet bringt die Gäste aus Kapstadt direkt in die Antarktis. © Marko Prezelj
Eine Reise in die Antarktis ist eine lebensverändernde Erfahrung. Man erlebt hautnah, wie klein ein Mensch in dieser unendlichen Weite ist, staunt über die Schönheit dieses Planeten, erkennt, wie fragil das Gleichgewicht ist. Man kommt womöglich als Abenteurer und Adrenalinjunkie und fährt bestenfalls als Botschafter für die Erhaltung dieser unvergleichlichen Wildnis nach Hause. Dies wünschen sich zumindest die beiden Betreiber: Sie sehen verantwortungsvollen Tourismus als eine Kraft des Guten und zitieren gern den britischen Tierfilmer und Autor David Attenborough, der betont: „Reisen können uns helfen, unseren Planeten zu verstehen; zu sehen, dass wir uns um ihn kümmern müssen, dass es überlebensnotwendig ist, Orte wie die Antarktis zu schützen.“ Die Auswirkungen des Klimawandels beginnen daheim – und nicht in der Antarktis. Durch Reisen aber erfahren wir die Zusammenhänge so direkt wie sonst nie.
Dieser Artikel erschien in der Falstaff TRAVEL Ausgabe Winter 2022/23.