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Architektur in Südtirol: Dem Himmel so nah

Südtirol ist ein Architektur-Eldorado: Nirgends sonst gibt es dermaßen viele faszinierende und ungewöhnliche Bauten zu entdecken, die perfekt in die schroffe Berglandschaft passen. Hochwertige Materialien sind dabei Standard.

10. Mai 2024


Klare Formen und spektakuläre Ausblicke: Architektur ist dazu da, die Natur in Szene zu setzen. © Jeremy Austin

Wahrscheinlich lässt sich das innovative Architekturverständnis in Südtirol ganz einfach auf den Punkt bringen: Die Natur ist der eigentliche Star. Die schroffen Dolomiten waren schon immer eine große Herausforderung, sei es durch unwegsames Gelände oder raues Klima. Eine Architektur, die in dieser extremen Landschaft bestehen kann, braucht eine klare Formensprache. Sie muss funktional und widerstandsfähig sein, aber auch so eigen, dass sie nicht von der Dramatik der Berge verschlungen wird.

Innovative Architektur wie eine Holzschnitzerei, die damit spielt, gefaltet und gedreht zu werden. © Lukas Schaller

Am Anfang waren es Einzelgänger, die einigermaßen stur ihre Vision umsetzten, traditionelle Bauweisen in eine moderne Formensprache zu übertragen. Werner Tscholl, 1955 geboren, ist einer dieser Alpen-Pioniere. Seine Bauwerke haben etwas Skulpturales und treten in Dialog mit der Umgebung, wie beim Timmelsjoch-Projekt. Oder Othmar Barth, 1927 geboren, der mit dem „Seehotel Ambach“ 1973 einen Meilenstein an brutalistischer Architektur vorlegte. Puristische Bauten aus Sichtbeton, die zugleich raffiniert im Detail sind, passen gut in die Region. Sie nehmen sich ohne Bescheidenheit zurück, verkörpern eine Moderne ohne Kitsch – und setzen die umgebende Landschaft spektakulär in Szene. Wie durch einen Bilderrahmen sieht man etwa von den Balkonen im „Hotel Ambach“ auf den Kalterer See. Ebenfalls ein Monolith aus Beton ist das Hotel „Stadele Rooms“ in Lana: betont minimalistisch zaubert es einen Hauch von Japan nach Südtirol. Das Zusammenspiel von kühlem Beton außen und heimeligem, hochwertigem Holz aus der Region innen erzeugt einen spannenden Kontrast.

Auf 2700 Metern liegt die neu gebaute Santnerpass Hütte, die anfangs umstritten war. © Nicola Paltrinieri

Ein absoluter Hingucker ist auch das neue Spa des „Alpin Panorama Hotel Hubertus“, das sich in Farb- und Materialwahl der Berglandschaft anpasst. Es scheint irgendwie schwerelos; wie in einem Vogelnest sieht man, vom Alltag gänzlich befreit, auf die umliegenden Berge. Das Architekturbüro NOA hat mit dem ungewöhnlichen Wellnessbereich ein neues Wahrzeichen der Region geschaffen. So beeindruckend das Bauwerk auch ist, drängt es sich doch nicht auf – die großen Glasfronten geben einem das Gefühl, inmitten der Natur zu sein. So baut Südtirol nämlich: Die Landschaft bleibt der Star.

Bei der „Berghütte Oberholz“ scheinen drei Satteldächer aus dem Hang herauszuwachsen. © Günther Pichler

Sogar Berghütten haben hier eine klare Form, scheinen sich in die Felsen zu schmiegen oder aus dem Stein herauszuragen. Zaha Hadids Messner Mountain Museum, 2012 bis 2015 gebaut, war ein wesentlicher Impuls für eine futuristische Architektur in den Alpen. Die „Berghütte Oberholz“ etwa liegt zu Füßen der eindrucksvollen Felsenkette des Latemar. Drei Satteldächer – traditionelle Elemente, mit denen hier gespielt wird – scheinen da aus dem Hang herauszuwachsen. In den großen Fenstern spiegeln sich der Himmel und die Berge, die raffinierte Holzkonstruktion innen ähnelt ein Knochengerüst. Man könnte auch im Bauch eines Wals sein. Die auf 2700 Metern gelegene Santnerpass Hütte wiederum war zwar aufgrund ihrer schieren Größe umstritten, architektonisch aber wirkt sie durchaus innovativ. Sie thront wie ein Berg am Berg, scheint ein eigener Gipfel auf dem Gipfel zu sein.

Auf alpine Holzarchitektur mit reduziertem Design setzt auch der Südtiroler Architekt Martin Gruber, der mit dem „Anders Mountain Suites“ ein perfektes Refugium in den Bergen geschaffen hat. Wie ein Pilz wächst der Bau aus dem Boden, organische Formgebung und klare Linien prägen eine Architektur, die schlichten Luxus verkörpert. Die Innenräume sind mit naturbelassenem Fichtenholz ausgekleidet; raumhohe Panoramafenster, um die Berge in jeder Lichtstimmung zu erleben, begeistern.

„Anders Moutain Suites“ ist ein perfekter Rückzugsort in den Bergen – wie ein Pilz wächst der Bau aus dem Boden© Tobias Kaser

Kunstwerk aus Holz

Selbst nüchterne Zweckbauten sind in Südtirol überraschend innovativ. So hat die Holzschnitzerei Ulrich Perathoner einen Holzblock mit Schindeln entwerfen lassen, der wie ein Würfel wirkt, der sich verdrehen lässt. Die Architektur spielt damit, geschnitzt und gefaltet zu sein, das passt perfekt als Atelier für jemanden, der aus Holz Kunstwerke schafft. Form und Inhalt in diesem Bau von Bergmeisterwolf aus Brixen gehen Hand in Hand, die Außenhaut agiert hier als eine Art lebendige Fassade. Auch das ist ein großer Vorteil des Bauens in Südtirol: Die Architekturbüros sind lokal, man ist vernetzt, kennt sich persönlich. Sie nehmen sich Zeit, Projekte zu entwickeln, die einmalig und maßgeschneidert sind, bodenständig und doch weltoffen – genauso wie Südtirol selbst. 

Dieser Artikel erschien in der Falstaff TRAVEL Ausgabe Südtirol Spezial 2023.

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