Mattheo
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8 Fragen an Matteo Thun

„Botanische Architektur“ empfiehlt Star-Architekt Matteo Thun für Südtirol: Mit der Natur solle der Mensch bauen und nicht gegen sie. Ist dieser Respekt nicht gegeben, sei ein Baustopp die sauberste Lösung, erklärt er im Interview.

25. August 2023


Mattheo

Im „Waldhotel Health & Wellbeing“ über dem Vierwaldstätter See kommt der Gast ins Gleichgewicht – auch ästhetisch. © Andrea Garuti

Matteo Thun wurde 1952 in Bozen geboren, studierte in Florenz und Salzburg Architektur und lehrte später an der Universität für angewandte Kunst in Wien Design. 1984 machte er sich selbstständig; seither hat er prominente Hotelprojekte und gewerbliche Bauten realisiert, Gläser, Porzellan, Leuchten und Möbel entworfen und diverse Auszeichnungen erhalten. Von 2004 bis 2006 gestaltete er für die Filmfestspiele in Venedig dreimal die Fassade des Palazzo del Cinema neu. Der Vater zweier Kinder legt besonderen Wert auf Nachhaltigkeit – für seine Heimat Südtirol fordert er einen respektvollen Umgang mit der Bergwelt und warnt vor fortschreitender Zersiedelung der ursprünglichen Landschaft.

Matteo

Terrassenarchitektur in der „Pergola Residence“, Meran. © beigestellt

Was macht Südtirol für Sie aus?
Ich bin in Südtirol aufgewachsen und ich glaube, die Dolomiten haben mich bis heute am meisten geprägt – ihr Formenreichtum, ihre Haptik, ihre unglaubliche Vielfalt von Licht und Schatten.

Was zeichnet die Architektur Südtirols aus?
Aus architektonischer Sicht ist die zauberhafte Architektur der Welzenbacher in Bad Dreikirchen oder der Comici-Hütte am Fuße des Langkofels faszinierend. Diese Orte vermitteln die Idee ganzheitlicher Architektur am besten: Gebäude, Landschaft, Skifahren, Klettern und Essen verschmelzen zu einer fabelhaften Einheit. Die kulturelle Identität Südtirols kann ich nur von außen beurteilen. 

Matteo

In den „Waldkliniken Eisenberg“ wird der Patient als Gast betrachtet – dem entspricht das Interieur. © beigestellt

2003, also vor 20 Jahren, haben Sie mit dem „Vigilius Mountain Resort“ eine neue Ära der Architektur in Südtirol eingeleitet. Hatten Sie damals schon das Gefühl, etwas Wegweisendes zu entwerfen?
Projekte gelingen immer nur gut, wenn der Dialog mit dem Bauherrn stimmt. Das Konzept für das „Vigilius Mountain Resort“ entstand in engster Zusammenarbeit mit Ulrich Ladurner, dem ersten aus einer Reihe von Quereinsteigern im Hotelbusiness. Die Natur hat im Laufe der Zeit ihr Übriges dazugetan und dem ganzen Resort eine wunderschöne Patina verliehen. Dank der Hotelleitung und der enormen Aufmerksamkeit für jedes Detail ist das Resort heute vollendeter als vor 20 Jahren. Es wird jedes Jahr schöner!

Matteo

Detail aus den „Waldkliniken Eisenberg“. © beigestellt

Welche Hotels sind heute in der Architektur wegweisend? Welche Trends sehen Sie?
Projekte, die im Einklang mit dem Genius Loci stehen, die Generationen überdauern. Der Anspruch der Gäste geht immer mehr in Richtung Nachhaltigkeit; eines der wichtigsten Kriterien bei der Auswahl von Hotels heute. Die Hospitality-Industrie muss nach den Veränderungen unserer Gesellschaft durch die Pandemie umdenken und auf langfristig angelegte Konzepte setzen, bei denen Reduzieren, Wiederverwenden und Recyceln die Keywords sind; also Energieeffizienz für neue, widerstandsfähige und schadstoffarme Gebäude, Einbeziehung des Lebenszyklus von Baumaterialien, Entsorgung und Wiederverwendung von Baustoffen.

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Die private Schweizer „Mountain Villa“. © Andrea Garuti

Sie wurden in Bozen geboren und haben die ersten Lebensjahre intensiv in den Bergen verbracht. Inwieweit hat Sie das geprägt?
Ich habe Bozen und Südtirol als 18-Jähriger, als Student verlassen, deshalb habe ich eine besondere Beziehung zu diesem Teil Italiens. Es ist die Natur, die die Qualität hervorbringt, nicht der Mensch – die Hauptqualität Südtirols sind für mich die Dolomiten, die schönsten Berge der Welt.

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Das „Waldhotel“ bei Luzern ist auf  Medical Treatments spezialisiert. Zum Wohl-befinden gehört auch die Architektur. ©beigestellt

Was kann nachhaltige Architektur – was nicht?
Die Dolomiten sind die Hauptqualität Südtirols und UNESCO-Weltnaturerbe, deshalb sollte man hier ganz besonders vorsichtig mit der Bautätigkeit sein und die Zersiedelung nicht noch weiter vorantreiben. Sie erfordern von Architekten und Bauherren besondere Achtung. Hier passen keine architektonischen Statement-Bauten, sondern „botanische“ Architektur – das bedeutet, mit der Natur zu bauen und nicht gegen sie. Die Südtiroler Landschaft sollte die Architektur beeinflussen und nicht umgekehrt. Wenn dies nicht gegeben ist, plädiere ich für einen generellen Baustopp in den Alpen!

Sollte sich die alpine Architektur immer in die Natur einfügen?
Ja, absolut, immer. Grüne Architektur ist kein Trend – sie ist die Rückkehr zur Normalität.

Was muss man in Südtirol architektonisch gesehen haben?
Die Bauernhöfe Tschögglberg bei Jenesien und Hafling sowie das MMM Messner Mountain Museum auf Schloss Sigmundskron. Und besuchen Sie auf dem Weg nach Meran die Gärten von Schloss Trauttmansdorff!

Mehr lesen: Architektur in Südtirol: Dem Himmel so nah

Dieser Artikel erschien in der Falstaff TRAVEL Ausgabe Südtirol Spezial 2023.

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