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70 Jahre Marbella Club: Von Fischerdorf zum globalen Sehnsuchtsort

Wie macht man aus einem andalusischen Fischerdorf einen globalen Sehnsuchtsort? Mit den richtigen Kontakten und legendären Partys. Wir blicken zurück auf 70 Jahre „Marbella Club“.

30. Juli 2024


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Man muss sich dieses Unterfangen einmal im historischen Kontext vorstellen: Als Alfonso Prinz zu Hohenlohe 1954 den „Marbella Club“ eröffnete, regierte in Spanien noch der faschistische Diktator Franco, die Costa del Sol hatte unter Reisenden einen ähnlich spannenden Ruf wie heute die flämische Nordseeküste und Marbella hielten selbst Einheimische für ein verschlafenes Fischerdorf.

Stammgast Gina Lollobrigida (tanzend). © beigestellt

Der deutsche Prinz kaufte dort trotzdem für günstige 150.000 spanische Pesetas (heute etwa € 60.000,–) ein von der Reblaus befallenes Weingut, so groß wie manches Dorf. Die Andalusier hielten den umtriebigen Adeligen für angemessen irre. Wieso ein Grundstück in einer Region kaufen, in der Landwirtschaft selten profitabel war und Banditen in der nahen Sierra ihr Unwesen trieben?

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Der Prinz ließ sich nicht abhalten. Er errichtete ein Motel, wie er es aus Amerika kannte, auch wenn er manche Materialien nur schwer besorgen konnte. Kupferdrähte mussten die Bauherren damals auf dem Schwarzmarkt kaufen. 18 Zimmer hatte diese erste Unterkunft (mehr eine Finca für seine betuchten Freunde als ein echtes Luxusanwesen). Alfonso nannte sie „Marbella Club“. Es gab keine Telefonleitungen und kaum Kontakt zur Außenwelt. In den frühen Tagen fuhr ein Hotelangestellter zwischen Ort und Hotel, um Telegramme aufzugeben, Zeitungen zu besorgen und Taxis zu bestellen.

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Knackige 70 Jahre später muss man sich die Augen reiben. Aus dem einst intimen Club ist eine global nachgefragte Hotel­anlage mit Dutzenden Zimmern, Suiten und Villen geworden. Bond-Darsteller Sean Connery und Tiffany-Ikone Audrey Hepburn haben dem Ort ebenso Glanz verliehen wie diverse Hochadlige und Politiker. Premierminister, Hollywoodstars und Popmusiker checken im „Marbella Club“ ein. Drumherum ist eine Luxus-Enklave mit Boutiquen, Yachthafen und Villenvierteln entstanden.

Wie konnte das geschehen?

© Manolo Yllera

Wenn man Menschen im Hotel dazu befragt oder ehemalige Gäste um ihre Meinung bittet, dann fällt meist ein Name, der nach einer Figur in einem Comic klingt: Graf Rudi. Vor einigen Jahren feierte Conde Rudi, wie ihn die Spanier liebevoll nennen, seinen 90. Geburtstag. Er hat ab 1957 das Hotel geführt, unter seiner Ägide wurde aus diesem Haus ein Zentrum des globalen Jetsets.

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Graf Rudolf von Schönburg, so sein gebürtiger Name, wuchs eigentlich im sächsischen Wechselburg auf, bis die Russen 1945 die Familie vom Gut vertrieben. In den 1950er-Jahren absolvierte er die Hotelfachschule in der Schweiz und kam kurz darauf bei seinem Cousin in Andalusien unter. Beide hatten einen Hang zum großen Auftritt. Alfonso unterhielt Affären mit Kim Novak und Ava Gardner, Rudi veranstaltete legendäre Themenpartys, die rückblickend einem naiven Fasching ähnelten.

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Einmal ritt er auf einem Esel in den Saal, verkleidet als Scheich – eine irrwitzige Vorstellung zwischen kultureller Aneignung und ungewollter Satire. Für ein anderes Fest verkleidete sich König Simeon von Bulga­rien als Fidel Castro. Offensichtlich so gut, dass die anwesenden Batistas – die vor dem Diktator aus Kuba geflohen waren – zunächst einen Schock bekamen.

Brigitte Bardot und Gunter Sachs zählten genauso zu den Stammgästen. © beigestellt

Die großen Namen kümmerten sich wenig um kleine Fehltritte. Brigitte Bardot, Liza Minelli, Cary Grant – eigentlich jede und jeder, der in den 1960ern einen Namen hatte, schaute im „Marbella Club“ vorbei. An einem gewöhnlichen Sommertag in den 70er-Jahren konnte es passieren, Rod Stewart und Otto von Habsburg über den Weg zu laufen. Audrey Hepburn gefiel es an der Sonnenküste so gut, dass sie sich mit Ehemann Mel Ferrer in Marbella niederließ. Nur der deutsche Kanzler Helmut Schmidt fand das Haus zu „jetsetty“. Da könne er nicht übernachten, ohne sich seinen sozialdemokratischen Wählern erklären zu müssen – trotzdem speiste er gerne im Restaurant. Was natürlich geholfen hat: die Lage. Marbella liegt beinahe am südlichsten Zipfel Europas, der Hausberg La Concha schafft ein Mikroklima, das ferienwürdige Tage verspricht. Dazu glitzerte das Meer wie im Märchen – klares Wasser, da in der Nähe Atlantik und Mittelmeer aufeinanderprallten und keine Ölspuren vor dem Strand hinterließen.

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Spätestens ab Mitte der 70er war Marbella kein gut gehütetes Geheimnis mehr. Die gesamte Küste bis Malaga wurde zum Hotelkorridor ausgebaut. All-inclusive-Anlagen verstellen bis heute den Weg zum Strand, kilometerlang reihen sich Betonburgen aneinander; der touristische Erfolg der Region führte zu einem Exodus der Exklusivität. Auch der „Marbella Club“ stand plötzlich nicht mehr in der Liga anderer Refugien, in die sich der Geldadel zurückzog.

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Mit einer sanften Renovierung haben die Besitzer nun wieder Schwung in den Club gebracht. Es finden sich noch die Ingredienzien eines sanften Lebens: Rattansofas stehen auf den Terrassen, Holztische laden zum Plaudern ein, cremefarbene Betten thronen in den Schlaf­zimmern. Es gibt kein Bling-Bling, sondern Naturfarben. Weiße Wände als Kontrast zum azurblauen Wasser draußen. Jasmindüfte steigen in die Nase, Bougainvilleen blühen prachtvoll und majestätische Palmen schützen vor sengender Sonne. Natürlich gibt es inzwischen auch genug Fernmeldekabel. Diese hatte spätestens Reedereikönig Aristoteles Onassis in den 60er-Jahren eingefordert, als er schlappe sechs Telefone für seine Villa verlangte, um mit seinem Geschäftsimperium in Kontakt zu bleiben.

© Manolo Yllera

Das Hotel hält auch sonst mit allen Anforderungen mit, die das neue Jahrtausend mit sich bringt. Ein holistisches Spa gehört zur Ausstattung, ein Kids-Club und das sogenannte „Club House“ mit sechs kulinarischen Einrichtungen. Männer buchen Wellnessbehandlungen und Frauen bestellen Avocadosäfte; Yogaklassen und Detox-Menüs stehen bei den Gästen ebenso auf dem Programm. Das hätte man sich unter der hart trinkenden Feiergesellschaft der 60er-Jahre nicht träumen lassen.

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Manchmal schaut auch Graf Rudi noch in „seinem“ Hotel vorbei, setzt sich in einen Sessel und beobachtet das bunte Treiben, das er entfesselt hat. In Malaga erinnert mittlerweile eine Avenida Conde Rudi an ihn – den Mann, der den Jetset nach Marbella brachte. Am oberen Ende beschatten Palmen und Laubbäume die Straße, weiter unten steht – oh Schock! – ein Vier-Sterne-Hotel. Das hat der gute Mann nicht verdient.

Marbella Club
Bulevar Príncipe Alfonso von Hohenlohe s/n, 29602 Marbella, Spanien
Tel.:
+34 952 82 22 11 
Web:
marbellaclub.com

Dieser Artikel erschien in der Falstaff TRAVEL Ausgabe Sommer 2024.

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