6 Fragen an Reinhold Messner
Reinhold Messner hat die höchsten und gefährlichsten Gipfel der Welt bestiegen. Die schönsten sind für den 78-jährigen Brixner aber die Dolomiten. Aus seiner Liebe zu Südtirol macht er in unserem Interview keinen Hehl.
10. August 2023
Für Messner sind die Dolomiten die schönsten Berge der Welt. © IDM Südtirol-Alto Adige/Andreas Mierswa
Der Südtiroler Reinhold Messner war stets auf der Suche nach dem Möglichen im Unmöglichen. Das Ergebnis liest sich wie eine Aneinanderreihung von Superlativen: Als erster bezwang er sämtliche 14 Achttausender ohne Sauerstoffflasche, bestieg die Seven Summits und stand auf sagenhaften 3500 Gipfeln. Noch mit 60 Jahren durchquerte er zu Fuß die Wüste Gobi. Heute bezeichnet sich der Gipfelstürmer, der zumindest im Geiste immer mit beiden Füßen auf dem Boden blieb, als „Sonntagsbergsteiger“. Er lebt mit seiner Frau Diane auf Schloss Juval in Südtirol.
Sie haben Südtirol einmal als mentale und geografische „Zwischenwelt“ bezeichnet. Was meinen Sie damit?
Wir Südtiroler sind das Bindeglied zwischen dem deutschen Norden und dem italienischen Süden. Wir sind keine Österreicher, wir sind keine Deutschen, wir sind keine Italiener, obwohl wir italienische Staatsbürger sind – wir sind Südtiroler, vielleicht auch noch Tiroler, Europäer und Weltbürger. Ein eigenes Selbstbewusstsein ist sehr wertvoll, weil es keine nationalistische Dimension hat. Deswegen sind wir ein Zwischenglied. Wir brauchen nur noch einen europäischen Pass. Dann verstehe ich uns völlig eingebettet in eine Welt, die uns entspricht.
„Ich esse alles. Das habe ich auf meinen Expeditionen gelernt. Aber ich gehe ab und zu gerne in ein gutes Lokal, weil ich auch die Kochkunst schätze“, so Messner. © Florian Jaenicke/laif
Die Welt Ihrer Kindheit war stark von den Dolomiten geprägt. Wie wirkt sich das auf die eigene Persönlichkeit aus?
Die Dolomiten sind die schönsten Berge der Welt, das Maximum an Eleganz und Schönheit. Ich habe dort zu klettern begonnen und als Bergkletterer die erste Leidenschaft meines Lebens ausgelebt.
Schloss Juval in Südtirol ist der Wohnsitz von Bergsteigerlegende Reinhold Messner. © Thomas Rötting/laif
Sie haben aber bereits als Fünfjähriger mit Ihrem Vater den ersten Dreitausender bestiegen. Wie schafft man das?
Mich wundert auch, dass ich mit fünf Jahren die Ausdauer dazu aufbringen konnte. Aber wir haben als Kinder viel im Freien gespielt, waren als wilde Horden unterwegs, oft Kilometer von zu Hause entfernt. So etwas wäre heute gar nicht mehr möglich.
© Thomas Rötting/laif
Kann die Dolomiten nur der ganz verstehen, der sie auch bestiegen hat?
Nein, das würde ich so nicht sagen. Aber wenn wir die Dolomiten nur aus dem Autofenster sehen, dann nehmen wir im Grunde nur Postkartenbilder wahr, aber nicht die Realität. Man muss mit der eigenen Muskelkraft die Berge ausmessen; lediglich mit der Geschwindigkeit des Fußgängers können wir Makro- und Mikrokosmos erkennen. Wenn man einen Stein findet, der eine Muschel enthält, fragt man sich, wie das möglich ist – oder? Vor vielen Millionen Jahren lagen die Dolomiten unter Wasser. Sie sind genau genommen Korallenriffe. Bis heute.
Haben Sie Tipps für unsere Leser, die die Südtiroler Berge erfahren wollen?
Auf jeden Fall nicht den Fotos der Influencer folgen – die führen immer zu Stau, zu Lärm, zu Hektik. Es reicht aus, einfach in Ruhe zu wandern; einen Schritt vor den anderen zu setzen, ohne ein spezielles Ziel. Alle Leute, die in den Bergen herumrennen, als ob sie Wettläufe machen müssten, nehmen die Dolomiten nicht in ihrer Breite der Ausstrahlung wahr.
Messners Bergsteigermuseum MMM Corones auf dem Kronplatz mit Panoramablick wurde von Star-Architektin Zaha Hadid entworfen. © Mauritius Images
Sie sind seit 2021 mit Diane Schumacher verheiratet. Gab es eine Hochzeitsreise respektive gibt es in Ihrem Leben auch so etwas wie Urlaub?
Nein, eigentlich nicht. Wir fahren aber bald für zehn Tage nach Nepal, um ein Museum einzuweihen, an dem wir viele Jahre gearbeitet haben. Früher oder später wird es aber mit Sicherheit auch eine Form von Urlaub geben. Diane und ich haben vor, Länder zu besuchen, die wir noch nicht bereist haben. An einem Strand zu sitzen oder zu liegen kann ich mir nicht vorstellen – ich kann auch gar nicht schwimmen! (lacht)
Dieser Artikel erschien in der Falstaff TRAVEL Ausgabe Südtirol Spezial 2023.