Caviar Kaspia: Kult seit fast 100 Jahren
In diesem kleinen, aber feinen Pariser Kultrestaurant ist eine simple Ofenkartoffel, getoppt mit Kaviar, seit fast 100 Jahren das Lieblingsgericht der Bohème und der Schickeria – von Yves Saint Laurent bis Beyoncé und Carine Roitfeld.
21. Mai 2024
Wenn die Gemälde aus der russischen Zarenzeit an den Wänden des „Caviar Kaspia“ erzählen könnten, sie könnten Geschichtsbücher füllen. 1927 begann der Restaurantgründer Arcady Fixon, ein Flüchtling der Russischen Revolution, mit den exotischen Aromen seiner Heimat das Pariser Publikum zu verführen. Schwarz glänzende Störeier, serviert mit Blinis oder Kartoffeln, und eiskalter Wodka wurden so zum Inbegriff von Glamour und Genuss. Viele russische Aristokraten und Künstler hatten ab 1917 die Seine-Stadt als Exil gewählt, wo sie mit offenen Armen empfangen wurden.
Caviar Kaspia
17 Pl. de la Madeleine, 75008 Paris, Frankreich
Tel.: +33 1 42 65 33 32
Web: caviarkaspia.com
© Francis Amiand
Diese „charmante Invasion“, wie Marcel Proust sie nannte, hatte großen Einfluss auf die Kunst und die Mode von Paris. Unter den besagten Gemälden sollen schon Gabrielle Chanel und Großfürstin Maria Pawlowna gespeist haben, die mit ihrem Atelier Kitmir in den 20er-Jahren die schwer angesagten russischen Stickereien für die Modeschöpferin fertigte. In den 60ern wurden Yves Saint Laurent und seine Modelmuse Betty Catroux Stammgäste. Karl Lagerfeld soll immer kalte Königskrabbe auf Salat, 150 Gramm Beluga-Kaviar mit Blinis und Crème fraîche bestellt haben. Spätestens mit Vogue-Chefredakteurin Carine Roitfeld, die nicht nur zur Fashion Week mit ihrer Entourage gern dort einkehrte, wurde das „Caviar Kaspia“ endgültig zur Kantine der Pariser Modewelt – und ist es heute noch. Nach den Shows abends dort einen Tisch zu ergattern ist wie ein Sechser im Lotto. Onlinereservierungen bietet das Restaurant wegen der hohen Nachfrage sowieso nicht mehr an, die Auswahl der Gäste funktioniert telefonisch.
Trends kommen und gehen – aber das „Caviar Kaspia“ bleibt. Das ist umso paradoxer, als dieses Restaurant, seit 1953 an der Place de la Madeleine zu Hause, immer schon eigentümlich altmodisch war. Mit den schweren Eichenholzverkleidungen, Teppichen, den Vitrinen mit Limoges-Porzellan, azurblauen Tischdecken und Kutschen-Ölgemälden scheint die Zeit hier stillzustehen. Das Facelifting, das der Eigentümer Ramon Mac-Crohon dem alten Interieur letzten Herbst verpassen ließ, ist minimalinvasiv. Für ihn kam es nicht infrage, die ursprüngliche Atmosphäre des Orts anzutasten, im Gegenteil. Das Altmodische, das Historische sei ein wesentlicher Bestandteil des „Kaspia“-Mythos. Die zeitgenössische Würze gaben und geben die illustren Gäste – und natürlich die Merchandising-Produkte, die er mit VIPs wie Virgil Abloh, Giambattista Valli oder Carine Roitfeld initiierte.
© Shutterstock
So schreit nichts im neuen Interieur auf den ersten Blick nach einem Instagram-Post, und vielleicht gerade deshalb sorgen die Selfies von Cristiano Ronaldo, Cara Delevingne, Robert Pattinson oder Bella Hadid aus dem „Caviar Kaspia“ für weltweite Furore. Das Pariser Traditionsrestaurant ist dank Social Media so trendy geworden, dass manche Gäste den azurblauen Aschenbecher klauen und ihn auf E-Bay für über 100 Dollar verhökern. Diesen Hype nutzte Mac-Crohon, um gleich nach der Pandemie an neue Standorte in Dubai, São Paulo, Los Angeles, London und zuletzt ins „The Mark Hotel“ in New York zu expandieren. Der Gegensatz von Alt und Jung sowie von bescheiden und dekadent scheint den Zeitgeist zu treffen. Und all das wurzelt in einem recht simplen Rezept: in der respektlosen Verbindung zwischen einer einfachen Kartoffel und Störeiern, dem Luxusprodukt schlechthin.
© beigestellt
Caviar Kaspia
17 Pl. de la Madeleine, 75008 Paris, Frankreich
Tel.: +33 1 42 65 33 32
Web: caviarkaspia.com
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Dieser Artikel erschien in der Falstaff TRAVEL Ausgabe Frühling 2024.