Gedanken des Hoteliers Michil Costa zur aktuellen Lage
"Wir glauben an die Menschen"
30. März 2020
Es sind schwierige Tage, das wissen wir alle. Jemand (Ernst Bloch) hat einmal gesagt, dass "der Reichtum einer Epoche im Todeskampf gewaltig" sei. In einer Notfallsituation ist reflektiertes Handeln gefragt. Worum Michil Costa alle seine Gäste bittet und uns alle dazu auffordert, ist dieses Kapitel der Geschichte leicht und sanft zu leben. „Langsamer, tiefer, zarter“, wie es sich vor 20 Jahren schon der Südtiroler Politiker Alexander Langer gewünscht hat. Jetzt ist der Moment gekommen. Wir können nicht zu Stein erstarren, wir müssen handeln. Und dass wir handeln können, haben wir bereits gezeigt. Ziehen wir uns also jeder in sein Zuhause zurück, aber vereinen wir uns im Denken und im Handeln.
Costa: "WIR GLAUBEN AN DIE MENSCHEN"
Angesichts des dramatischen Notstandes, der das Coronavirus in ganz Italien und weltweit hervorruft, hat sich Michil Costa als Hotelier gefragt, welchen Beitrag er innerlands zur Unterstützung von Ärzten, Pflegekräften und anderen spezialisierten Hilfskräften leisten kann, die an vorderster Front dieser immensen Tragödie kämpfen. Als kleinen Beitrag und auch, um der hart von der Krise betroffenen Touristikbranche einen Impuls zu versetzen, möchte er mit denjenigen Mitteln helfen, die ihm zur Verfügung stehen. Und das sind Gastfreundschaft, Solidarität, Menschlichkeit.
Er startet daher für und in Italien die Aktion WIR GLAUBEN AN DIE MENSCHEN um denjenigen, die an vorderster Stelle kämpfen, nicht nur Verständnis und Bewunderung entgegenzubringen. Wer an vorderster Front alles gibt, wer riskiert, wer sich als Individuum, als Mensch, in seinem Beruf zu hundert Prozent und mehr engagiert, soll konkret auch die Möglichkeit zur Erholung, Entspannung, zum Durchatmen erhalten, so der Hotelier. Denn diesen Menschen, und das ist alles andere als eine Floskel, gilt seine ganze, uneingeschränkte Bewunderung. Was er ihnen anbietet, ist ein Urlaubstag in seinem Hotel Albergo Posta Marcucci in Bagno Vignoni, einem historischen Thermalstädtchen im Val d’Orcia in der Toskana. Das Val d’Orcia ist ein UNESCO-Welterbe, aber ihm ist wohl bewusst, dass in diesem Fall das echte Welterbe der Menschheit all die Menschen sind, die alles geben, mitunter sogar ihr eigenes Leben, damit wir dieser Krise Herr werden.
"Im Grunde unseres Herzens suchen wir immer ein Zuhause für Körper und Seele. Und hier ist es, das Zuhause. Das Haus. Hier sind wir eine große Familie, bestehend aus allen, die dieses Haus mit ihrem Einsatz jeden Tag mit Leben füllen. Hier gibt es Werte und Wissen. Die wir teilen möchten, von Mensch zu Mensch.“
Michil Costa
„Das ist eine von den Amerikanern angezettelte Verschwörung“. „Das Bakterium wurde im Labor erzeugt“. „Wir hätten einfach weitermachen sollen wie bisher“. „Die Franzosen und die Deutschen waren schlau und wir Italiener viel zu ehrlich“. „Die Opfer waren alt und schwach, jetzt sind sie bei Gott, aber sie waren ohnehin dem Tode geweiht“. „Schuld sind bloß die Medien, Facebook und die Politik“. „Alarmismus und Panikmache sind viel gefährlicher als das Virus selbst“. „Diese Angst vor der Angst, nur wegen ein bisschen Fieber“. „Hätten wir ein Europäisches Gesundheitsministerium...“
Michil Costa sagt dazu:
"Vermutungen, Beschuldigungen, Individualismus, Egoismus, Protagonismus und anderes mehr: Jeder rettet sich in seine Weisheit. Der Punkt ist, dass wir in unserer reichen westlichen Welt eine derartige Krise auf unserer eigenen Haut seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr erlebt haben. Nicht einmal die 18.000 Menschen, die in den letzten fünf Jahren im Meer ertrunken sind, haben die Alarmglocken weltweit zum Läuten gebracht. In dem ein oder anderen Herzen zwar schon, doch nicht auf globaler Ebene. Nein, es brauchte ein Problem, das uns direkt betrifft, damit wir aus unserer Erstarrung aufwachen. An dergleichen sind wir nicht mehr gewohnt. Unser Interesse ist stets auf das gerichtet, was unmittelbar ganz in unserer Nähe geschieht, während wir die Probleme rund um den Klimawandel nie so richtig ernst genommen haben, weil die in der Zukunft liegen, weshalb wir sie nie als dringend wahrgenommen haben oder wahrnehmen wollten. Mit einer Infizierung dagegen hatten wir nie gerechnet. Doch jetzt wollen wir uns an das halten, was – in Ermangelung eines wirklich vereinten Europas – unser italienischer Staatspräsident sagt, der sehr deutlich geworden ist: Jetzt ist nicht der Moment für Anarchie."
Costa ist der Auffassung: "Schwierige Zeiten stehen uns bevor, aber erst in der Krise kann der Mensch zeigen, was alles in ihm steckt. In dieser extrem harten Situation kann – muss – die Chance für einen Neubeginn stecken, in dem wir ungerechte Paradigmen beseitigen, etwas weniger unmenschlich werden und von neuem begreifen können, dass wir als Menschen die Wahl haben. Und das wird uns auch gelingen. Wir müssen das Positive an dieser Geschichte erkennen, die große Chance, die sich gerade vor uns auftut: In den nächsten Monaten müssen wir nicht nur eine Lösung gegen das sich ausbreitende Virus finden, sondern auch für Migration und Klimawandel.
Jetzt haben wir die Gelegenheit, zu lernen, dass wir als Individuen mit weniger auskommen können, um in der Allgemeinheit mehr zu haben. Covid-19 ist weder die schwarze Pest noch die politische Pest, die vor siebzig Jahren um sich griff und die für Albert Camus der Nazismus war. Covid-19 ist weder Tschernobyl noch der Dritte Weltkrieg. Es handelt sich um eine Phase, die ich – auch wenn dieser Standpunkt unangemessen erscheint und auch gar nichts zählt – faszinierend finde. Eine Notsituation, die nicht so schnell vergehen wird, nicht in einem Monat und auch nicht in wenigen Saisons. Sie wird unser Denken verändern, und wir werden – hoffentlich wenigstens ein bisschen – künftig etwas mehr mit dem Kopf denken und weniger mit dem Bauch."
Michil Costa richtet zum Schluss das Wort an seine Hotel-Mitarbeiter und Gäste:
"Ein ganz großes Dankeschön an unsere Mitarbeiter, die hier in den Hotels sich weiter unsere Gäste gekümmert haben, die gekocht, die Betten gemacht und die Koffer getragen haben, und das in Kontakt mit der halben Welt. Sie sind wirklich etwas Besonderes.
An sie geht unser großes GIULAN.
Danke, liebe Gäste, dass Sie bei uns gewesen sind. Und für Ihr Verständnis. Danke dafür, dass Sie an eine Gastfreundschaft glauben, die italienisch ist, südtirolerisch, dolomitisch, ladinisch, familiär, so wie wir im Kleinen. Bald schon werden wir noch gastfreundlicher sein als zuvor. Das ist zum gegenwärtigen Stand der Dinge das einzige Versprechen, das wir sicher geben können. Wir sehen uns im Sommer wieder – so oder so!"
Michil Costa
Picture credits: Albergo Posta Marcucci; Berghotel Ladinia; La Perla Corvara; hotel La Perla - Gustav Willeit